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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Samurai, eines dieser höheren Wesen, die die Dinge durchschauen und Herren des Lebens und ihrer Mitmenschen in einer Weise sind, die jenseits von Güte und Weisheit der gewöhnlichen Sterblichen liegt. Lassen Sie mich erzählen:
    Heute schlug der Wind um. Plötzlich um acht Punkte, also um ein Viertel des ganzen Kreises. Denken Sie sich einen steifen Wind, der heulend aus Südwest kommt… und dann einen anderen noch schwereren und gewaltigeren, der das Schiff mit plötzlichen Stößen aus Nordwest trifft. Wir seien durch einen Küselwind gelaufen, versicherte Kapitän West mir und fügte hinzu, es sei schon möglich, daß der Wind den ganzen Kompaß durchlaufen werde.
    In Seestiefeln, Ölzeug und Südwester hatte ich einige Zeit auf der Kampanje verbracht, wo ich mich am Bogen festhielt und wie gebannt auf die armen Teufel von Matrosen starrte, die oft bis an den Hals im Wasser standen und bisweilen ganz untertauchten oder wie Strohhalme auf dem Deck herumgeschleudert wurden, während sie unaufhörlich heißten und halsten, stumpfsinnig blind, offenbar in Todesangst, und das alles zur Begleitung der schmetternden Befehle Pikes. Mir erschien es fast als ein Spaß, ihnen zuzusehen, es war beinahe wie im Zirkus. Der Wind heulte noch lauter, und die See kochte und gischte in wilder Wut. Der Ernst der Lage wurde mir erst klar, als zwei Mann auf Deck liegenblieben. Der eine war Jare Jakobsen, ein stumpfsinniger Skandinavier, der sich das Bein gebrochen hatte und vorausgetragen wurde, während man den anderen, Bub Twist, bewußtlos und mit blutendem Kopf wegschaffen mußte.
    Als der Sturm seinen Höhepunkt erreicht hatte, mußte ich mich am Kampanjebogen festklammern, damit mich der Wind nicht hinunterwarf. Mein Gesicht schmerzte von den Nadelstichen der fliegenden Schaumspritzer. Ich hatte das Gefühl, daß der Wind mir das ganze Spinngewebe, das die Schlaflosigkeit über mein Gehirn gelegt hatte, wieder herausblies.
    Unterdessen ging Kapitän West auf und ab, schlank, aristokratisch, voller Anmut, selbst in seinem triefenden Ölzeug. Mühelos paßte er den Körper den Schlingerbewegungen an. Bei diesem Wetter nahm er sich Zeit und Muße, mir zu erzählen, daß wir durch einen Küselwind gingen und daß der Wind den ganzen Kompaß durchlaufen würde. Ich sah, daß er dauernd den bedeckten Himmel, an dem die Wolken dahinjagten, im Auge behielt. Mir schien es, als könnte der Wind nicht noch schlimmer werden. Er aber hatte offenbar am Himmel gefunden, was er suchte. Und da hörte ich zum erstenmal seine Stimme. Es war eine Stimme, wie geschaffen für das Meer: klar wie eine Glocke, rein wie Silber, von einer unsagbaren Schönheit und Kraft, mühelos und doch alles beherrschend! Das furchtbare Brüllen des Sturmes heulte in den Stags, grölte in den Wanten, schlug die steif angesetzten Leinen klatschend gegen die stählernen Masten und gab in den unzähligen, winzigen Tauen hoch oben ein Höllenkonzert von schrillem Pfeifen und Kreischen. Und doch klang die Stimme des Kapitäns klar und deutlich durch diesen irrsinnigen Lärm hindurch, süß und weich wie Musik. Die Stimme erreichte den Mann am Steuerruder und Pike, der bis zu den Hüften im Wasser stand, und brachte ihnen Befehle. Der Mann am Steuerrad gehorchte und gab brüllend und fauchend seine Befehle weiter an die armen Teufel, die sich am Boden wälzten, aber doch gehorchten. Und wie die Stimme war auch das Gesicht – ein solches Gesicht hatte ich nie zuvor gesehen… es war das Gesicht eines überirdischen Geistes, rein durch seine Weisheit, erleuchtet durch den Glanz der Macht und der Ruhe. Der Held war in Donner und Blitz auf den Flügeln des Sturmes angeritten gekommen, um die mächtige, schwer arbeitende, so komplizierte und schwerfällige Elsinore durch den Sturm zu lenken und das Menschenbündel auf ihr nach seinem Willen zu führen – nach seinem Willen, der der Wille der Weisheit war.
    Und dann beugte sich Kapitän West gleichgültig, unbekümmert, schlanker, größer und in seinem triefenden Ölzeug aristokratischer als je, zu mir, berührte leicht mit seiner Hand meine Schulter und zeigte achteraus über unsere Windviering. Ich blickte hin, aber ich konnte nichts sehen als See und Himmel, die ineinander verflossen, und eine dunkle Wolkenbank, die an der Brust der See riß und zerrte. In derselben Sekunde verstummte der Südweststurm. Kein Wind wehte, kein Lüftchen regte sich. Nichts war geblieben als eine ungeheure Stille in der Luft.
    »Was ist denn

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