Meuterei auf der Elsinore
auf der Kampanje jetzt dicke Handschuhe tragen. Unsere armen Hühner! Jetzt, da wir uns dem südlichen Winter bei Kap Hoorn nähern, wo sie tatsächlich ihre dichteste Federtracht dringend brauchen, beginnen sie zu mausern; jetzt ist ja Sommer in dem Lande, aus dem sie stammen.
Gestern wurden für die Fahrt um Kap Hoorn allerlei Vorbereitungen getroffen, die nichts Gutes verheißen. Alle Brassen wurden von den Koveinnägeln des Großdecks entfernt und so angeordnet, daß man von den Decken der Hütten aus mit ihnen arbeiten kann. Offenbar erwartet man also, daß unser Deck öfters unter Wasser gerät. Ein Schiff mit voller Ladung auf hoher See ist einfach wie ein Holzklotz, der vom Wasser überspült wird, so daß man jetzt zu beiden Seiten des Decks in Schulterhöhe Rückenpaarden aufzieht. Die beiden eisernen Pforten, die von der Hütte direkt an Deck führen, sind verbarrikadiert. Erst wenn wir im Stillen Ozean nordwärts laufen, werden sie wieder geöffnet.
Während wir uns so auf unsere Fahrt um Kap Hoorn vorbereiten, wird die Situation an Bord mit jedem Tage dunkler und unheilverkündender. Heute morgen wurde Petro Marinkowitsch von der Wache Mellaires tot auf dem Kabelgatsluk aufgefunden. Der Körper wies zahlreiche Messerstiche auf; die Kehle war durchschnitten. Zweifellos wurde der Mord von einigen Backgasten verübt, aber es ist nicht möglich, ein Wort aus den Leuten herauszubekommen.
Die Asiaten in der Kabine des Kochs haben ihren eigenen Verdacht bezüglich des Todes von Marinkowitsch, wollen aber nichts sagen. Kopfschütteln und dunkle Andeutungen sind alles, was ich aus dem Steward und aus Wada herausbringe. Louis, der chinesische Mischling mit dem Oxforder Akzent, war indessen offenherziger.
»Wir sind von verschiedener Rasse, wir und die anderen«, sagte er. »Die beste Politik, die wir treiben können, ist, sie in Ruhe zu lassen. Bedenken Sie meine Lage. Ich arbeite vor dem Mast in der Kombüse. Ich stehe in ständiger Verbindung mit den Matrosen. Ich schlafe sogar in ihrem Teil des Schiffes und bin dabei einer gegen alle. Der einzige Landsmann, den ich an Bord habe, ist der Steward, und der schläft achtern. Ihr Diener und die beiden Segelmacher sind Japaner. Sie sind nur entfernt verwandt mit uns Chinesen, wenn wir auch zusammenhalten wollen, was auch geschehen mag.«
»Aber wie steht es mit Knirps?« sagte ich und dachte an die Diagnose, die Pike mit Bezug auf dessen Blutmischung gestellt hatte.
»Den erkennen wir nicht an«, antwortete Louis sehr freundlich. »Er ist Portugiese, Malaie, sogar Japaner, aber von gemischter Rasse, außerdem ist er ja nicht richtig im Kopf.«
»Aber wie stellen Sie sich denn das Ende vor?«
»Wir werden höchstwahrscheinlich nach Seattle kommen… jedenfalls einige von uns. Aber eines kann ich Ihnen sagen, mein Herr: Ich fahre schon ein langes Leben auf See, aber eine Besatzung wie diese hab’ ich noch nie gesehen. Es sind nur wenige Seeleute, es sind aber auch sehr böse Leute dabei… und der Rest besteht aus Idioten oder noch Schlimmerem. Ich nenne keine Namen, mein Herr, aber es gibt Männer an Bord, die ich nicht gern zu Feinden haben möchte. Ich bin nur Louis, der Koch. Ich tue meine Arbeit und damit gut, mein Herr.«
Und Louis entfernte sich unter zahlreichen Bücklingen…
Die Lage ist indessen viel schlimmer geworden, als ich je gedacht hätte. Ich will nur zwei Episoden aus den letzten drei Tagen erwähnen. Mellaire ist im Begriff, die Nerven zu verlieren. Auf die Dauer kann er die Spannung nicht ertragen, auf demselben Schiff zu leben wie der Mann, der Rache für die Ermordung Kapitän Sommers’ geschworen hat.
Schon vor einigen Tagen hatten Margaret und ich bemerkt, daß Mellaire ganz blutunterlaufene Augen hatte und daß sein Gesicht sehr zerquält aussah; wir dachten, daß er krank sei. Jetzt haben wir aber das Geheimnis erfahren. Wada liebt Mellaire nicht. Als er mir heute morgen das Frühstück brachte, konnte ich aus dem lustigen, schadenfrohen Ausdruck seiner Mandelaugen sehen, daß er eine besondere Schiffsneuigkeit auf Lager hatte. Seit einigen Tagen, so erzählte er mir, hätten er und der Steward sich mit der Lösung eines Kajütengeheimnisses beschäftigt. Im Heckraum stand eine Kanne mit Holzspiritus, und in der letzten Zeit hatte ihr Inhalt bedeutend abgenommen. Zunächst stellten sie fest, daß die Verringerung immer nur nach den Mahlzeiten stattfand. Nun richtete sich ihr Verdacht auf zwei Personen, Mellaire und den
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