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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Zimmermann, die allein in diesem Raum arbeiteten. Alles übrige war natürlich Kinderspiel. Kam Mellaire vor dem Zimmermann, so verschwand etwas Holzspiritus – kamen und gingen sie zusammen, so blieb der Bestand unvermindert. Der Zimmermann war nie allein in dem Raum. Die Beweiskette war also geschlossen. Und jetzt hat der Steward allen Spiritus unter seiner Koje gelagert. Nun ist Holzspiritus aber bekanntlich ein gefährliches Gift. Was für eine Konstitution muß der Untersteuermann haben! Kein Wunder, daß seine Augen blutunterlaufen waren. Ich habe Margaret natürlich kein Wort davon gesagt. Dagegen möchte ich Pike sehr gern eine kleine Warnung zukommen lassen, andererseits weiß ich, daß die Enthüllung von Mellaires Herkunft wieder ein Menschenleben kosten würde.
    Unterdessen laufen wir immer noch nach Süden, nach der ungastlichen Spitze des Kontinents. Wenn die steife Kühlte anhält, werden wir morgen vor der Küste von Feuerland, ganz in der Nähe der Straße von Le Maire sein, durch die Kapitän West laufen will, wenn der Wind günstig bleibt.
    Die andere Geschichte ereignete sich heute nacht. Pike spricht zwar nicht darüber, aber er kennt sich mit der Mannschaft aus. Ich bin überzeugt, daß Pike sich seit dem Tode des Marinkowitsch nach Eintritt der Dunkelheit nicht mehr an Deck wagt. Aber er vertraut sich keinem Menschen an und spielt das gefährliche Spiel allein zu Ende.
    Kurz nach der Plattfußwache ging ich gestern abend nach dem Vorderkastell, und zwar im Auftrage Margarets, die mich gebeten hatte, dem Steward einige Anweisungen von ihr zu bringen. Ich wollte mich gerade nach der Kampanje zurückbegeben, als unheimliche Schreie von Pinguinen auf dem dunklen Meer meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ich kletterte hinter das Backbordboot, so daß ich in der Dunkelheit nicht zu sehen war. Kaum war ich in meinem Versteck, als ich die schleppenden Schritte des Steuermanns hörte, der von der Kampanje über die Laufbrücke kam. Es war eine finstere Nacht, und die Elsinore glitt glatt und sauber durch die leisen Wellen. Pike blieb am Rande der Hüttendecke stehen.

Nach seiner Haltung zu urteilen, schien er zu lauschen. Von dem großen Deck unten hörte man ein leises Murmeln von Stimmen, ich konnte feststellen, daß es Bub Twist, Nasen-Murphy und Bert Rhine, also die drei Banditen, waren. Jedoch waren auch Steve Roberts und Mellaire dabei, obgleich sie Freiwache hatten und um Mitternacht wieder an Deck sein mußten. Besonders unrecht war es natürlich von Mellaire, daß er sich mit den Matrosen einließ – ein schweres Vergehen gegen die Schiffsdisziplin.
    Ich blieb in meinem Versteck und lauschte.
    Fünf Minuten vergingen. Zehn Minuten. Die Männer sprachen immer noch miteinander. Das Schreien der Pinguine ging mir auf die Nerven. Ich sah, wie Pike den Kopf nach dem Geräusch wandte – er starrte direkt zu mir herüber, bemerkte mich aber nicht. Dann lauschte er wieder auf das Flüstern in seiner Nähe.
    War es nun Zufall, daß Mulligan Jacobs auf die Brücke ging, oder tat er es, um sich zu überzeugen, ob die Luft rein sei, das weiß ich natürlich nicht. Ich kann nur berichten, was tatsächlich geschah. An der Seitenwand des Mittschiffshauses ist eine Leiter, und diese Leiter kletterte Mulligan Jacobs so lautlos hinauf; daß ich seine Anwesenheit erst bemerkte, als ich Pike knurren hörte: »Was hast du hier zu suchen, zum Kuckuck?«
    »Was geht Sie das an?« fauchte Mulligan Jacobs zur Antwort.
    Pike fuhr mit so furchtbaren Verwünschungen auf ihn los, daß ich sie nicht wiederholen kann. Dann fragte er wieder, was Jacobs wolle.
    »Ich hab’ vorher beim Aufscheren meinen Tabak vergessen«, sagte der Krüppel. Nein, er sagte es nicht – er spie es heraus, als ob die Worte Gift wären, das seinen Gegner töten konnte.
    »Mach, daß du wegkommst, oder ich schmeiß’ dich hinunter«, tobte der Steuermann.
    »Alter Schuft«, lautete die Antwort des Krüppels.
    Pike packte ihn am Kragen und hob ihn hoch.
    »Willst du jetzt gehen? Oder soll ich dich hinunterschmeißen?« fragte der Steuermann.
    »Du alter Schuft… du alter Schuft!… du alter Schuft«, wiederholte Mulligan Jacobs unaufhörlich in seiner viehischen Wut.
    »Sag das noch einmal, und ich schmeiß’ dich über Bord«, stieß Pike schließlich mit heiserer Stimme hervor.
    »Alter Schuft«, japste Mulligan Jacobs.
    Der Steuermann schleuderte ihn weit von sich, und der Krüppel flog an Deck, aber selbst da knurrte er noch vernehmlich:

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