Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
trennen konnte ich mich auch nicht so leichten Herzens von einem Bild. Wir wählten dann letztendlich eines aus, das nicht unbedingt zu meinen Favoriten gehörte, aber auch nicht schlecht war. Irgendwie stand ich jetzt zwischen den Stühlen. Ich wollte mich einerseits nicht blamieren, aber meine Meisterwerke auch nicht so einfach versteigern, obwohl ich wusste, dass das Geld Kindern zugutekommt, die es dringend brauchen. In der Einladung war vermerkt, dass die Damen sich möglichst in Rot oder Weiß kleiden sollten. Das waren ja nun gar nicht meine Farben, aber beim Durchwühlen meines Kleiderschranks fand ich dann doch eine Hose und ein Shirt, deren Farben den gewünschten Tönen sehr nahe kamen.
Als wir dann am Abend den großen Festsaal betraten, war ich geblendet von der Dekoration und der Ausgestaltung. Die Tische trugen weiße Tischdecken und die Stühle hatten ebenfalls weiße Überzüge, die mit großen, roten Schleifen zugebunden waren. Und tatsächlich waren die Frauen in weißen oder roten Kleidern erschienen. Ich fiel mit meinem cremefarbenen Outfit etwas aus der Reihe, was mich etwas verunsicherte. Aber da musste ich jetzt durch. Es gab ein ausgiebiges, vornehmes Abendessen mit drei Gängen und danach fand die Auktion statt. Außer meinem Bild sollten noch weitere fünf Bilder von mexikanischen Malern versteigert werden. Als ich die anderen Bilder sah, fühlte ich mich nicht mehr so gut und ich bereute es zutiefst, nur ein mittelmäßiges Bild ausgesucht zu haben. Jetzt kam noch der Angstschweiß dazu, denn eine leise Befürchtung machte sich in mir breit, dass niemand mein Bild ersteigern würde, dann wäre die Blamage meines ersten öffentlichen Auftritts hier perfekt und meine Karriere beendet, ehe sie angefangen hat. Der Gedanke war grausam und ließ mich die ganze Zeit nicht mehr los. Die ersten Bilder wurden versteigert. Ein Bild für 200 Dollar, dann 350 Dollar, 400 Dollar, 550 Dollar und auch eines für nur 100 Dollar. Mein Bild war das letzte in dieser Auktion und heimlich wünschte ich, dass es doch wenigstens auch 100 Dollar bringen würde, das hätte mich schon beruhigt. 100 Dollar für einen guten Zweck hier in Mexiko, darauf konnte ich wohl stolz sein.
Jetzt war es so weit. Zwei langbeinige mexikanische Señoritas brachten mein Bild bei feierlicher Musik in den Saal und gleichzeitig wurde mir schwindelig. Ich suchte Roberts Hand und wäre am liebsten mit einer Tarnkappe auf dem Kopf aus dem Raum geschlichen. Leider ging das nicht mehr und ich musste das, was jetzt kommen sollte, über mich ergehen lassen. Die Auktion für mein mittelprächtiges Bild hatte begonnen. Im Saal war es totenstill und kein Arm hob sich. Niemand gab ein Gebot ab. Am liebsten wäre ich wie durch Zauberhand verschwunden, aber wenn ich eine richtige Künstlerin werden wollte, dann musste ich wohl auch Niederlagen ertragen und diese hatte ich mir selbst eingebrockt. Doch auf einmal hob sich ganz hinten in der letzten Ecke ein Arm und ein Gebot von 50 Dollar wurde abgegeben. Ich atmete auf. Das schwächte die Blamage wenigstens etwas ab. Doch die Auktion ging zügig weiter und stand bald bei 150 Dollar. Die Katastrophe war abgewendet, mein Bild hatte das mit dem schlechtesten Verkaufswert überholt. Zufrieden lehnte ich mich zurück und nahm einen Schluck aus meinem Sektglas. Robert warf mir einen anerkennenden Blick zu. Während wir uns beide schon zuprosteten, liefen die Gebote auf mein Bild noch weiter. Doch dann fiel der Hammer, die Versteigerung war beendet und die mexikanische Blaskapelle spielte einen Tusch. Mein mittelprächtiges Kunstwerk hat ein amerikanischer Immobilienmakler für sage und schreibe 650 Dollar gekauft. Ich war wie versteinert und konnte kein Wort mehr herausbringen. Das war doch nicht möglich! Mein Bild hatte den höchsten Preis erzielt. Nein, ich konnte es nicht fassen, aber es war wirklich so. Beim Gang auf die Bühne wäre ich beinahe noch auf dem glatten Parkett ausgerutscht und das wäre dann die Krönung meiner Nervosität gewesen. Persönlich überreichte ich dann dem Amerikaner mein Gemälde. Doch das geschah nur symbolisch, denn er steckte die 650 Dollar in die Spendenkasse und gab mir das Bild zurück, was mich total verunsicherte. Aber das Ganze hatte einen tieferen Sinn, denn der Amerikaner ließ mein Bild ein zweites Mal versteigern, und es ging an einen mexikanischen Hotelbesitzer, der es für 300 Dollar kaufte. Er bedankte sich bei mir und
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