Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Schwangerschaft hatten wir nun unser erstes gemeinsames Kind und dieses Kind stellte unser ruhiges, beschauliches Leben so richtig auf den Kopf.
Robert hatte diesen Zuwachs auch nicht geplant, es ist eben so passiert, wie man echte Kinder auch oft nicht plant, es ist einfach so geschehen. Wenn ich nicht da bin, ist er immer ruhelos. Jeden Tag ist er unterwegs und er macht auch ab und zu einen Abstecher in die Tierläden hier. Und in einem dieser Geschäfte fand er den kleinen, zehn Wochen alten Schäferhund. Weil seine Sehnsucht nach Hunden immer geblieben ist, wollte er ihn nur mal kurz auf dem Arm nehmen, um zu spüren, wie sich das anfühlt. Aber nach diesem Nur-mal-kurzauf- den-Arm-nehmen konnte er ihn nicht mehr zurücksetzen in seine enge Box und nahm ihn sofort mit. Nun war er da, mitten in unserem Leben. Einen Namen hat Robert ihm noch nicht gegeben, den suchten wir jetzt gemeinsam. Freddy, Ringo, Harley und noch so viele Namen fielen uns ein, aber keiner gefiel uns so richtig. Bis wir dann auf einen Namen kamen, der gut zu ihm, zu uns und zu meinem Hobby, der Malerei, passte: Picasso.
Viel später machte er einmal seinem Namen alle Ehre. Als wir von einem Spaziergang zurückkamen, war unsere Kleidung in Kniehöhe blau. Wir suchten lange nach einer Ursache. Es war blaue Ölfarbe, so blau, wie mein angefangenes Bild, das noch auf der Leinwand stand. Ich wunderte mich außerdem darüber, wie mein Bild aussah. Irgendetwas war anders, jedenfalls nicht so, wie ich es bei meinem letzten Pinselstrich in Erinnerung hatte. Nicht unbedingt schlechter, nur abstrakter, so künstlerisch etwas verschwommen. Und damit konnten wir auch endlich des Rätsels Lösung finden. Der ganze Schwanz von Picasso war ebenfalls blau. Er musste schwanzwedelnd vor dem noch nassen Ölbild gestanden haben und sein Schwanz hatte die Aufgabe eines riesigen Pinsels übernommen und schön gleichmäßig die Farbe aufgesaugt. Dann waren wir mit Picasso und seinem vollgesaugten Hundeschwanz an den Strand gelaufen, wo er natürlich auch wieder damit gewedelt hatte, um die Farbe auch an uns gleichmäßig zu verteilen. Den armen Picasso mussten wir mit Verdünnung behandeln, um die fast trockene Farbe aus dem Fell zu bekommen und das war echt eine Quälerei für Mensch und Hund. Die Spuren von seinem Schwanz auf meinem Bild habe ich aber nicht mehr entfernt, denn es passte dazu, auf so eine Idee wäre ich nie gekommen. Es muss auch anderen gefallen haben, denn das Bild ist schon lange verkauft. Eben ein echter Picasso! Da ich auf unseren Nachwuchs nicht im entferntesten Sinne vorbereitet war, wurde jetzt mein Leben, nein, unser Leben total auf den Kopf gestellt. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit Hunden und verließ mich ganz auf Robert. Schon nach wenigen Tagen wurde der Kleine krank. Er fraß nicht mehr, hatte Durchfall und lag teilnahmslos in einer Ecke. Es wurde von Stunde zu Stunde schlimmer. Wie wir später erfuhren, sterben viele Hunde aus diesen mexikanischen Tierhandlungen nach wenigen Wochen, weil sie nicht artgerecht gehalten oder viel zu früh von der Mutter getrennt werden. Mit dem Verkauf dieser kleinen Lebewesen konnte viel Geld gemacht werden und das ging den Verkäufern oft nicht schnell genug. An den Hund wurde dabei nicht gedacht.
Picasso wurde immer schwächer und wir machten uns große Vorwürfe, weil wir noch zu keinem Tierarzt mit ihm gegangen waren. Aber es war doch für uns alles so neu und wir kannten keinen Arzt, dem wir vertrauen konnten. Aber wie immer in Notsituationen half uns Peter weiter und endlich hatten wir eine Klinik gefunden, die unserem Baby helfen sollte. Die Klinik und der Arzt waren wirklich gut, aber große Hoffnung machte er uns nicht, denn die Infektion war schon zu weit fortgeschritten und der Kleine war zu schwach, er hatte keine Abwehrkräfte und es sah schlecht aus. Nein, das durfte jetzt nicht passieren! Er musste es schaffen und weiterleben, denn er gehörte doch trotz der kurzen Zeit schon zu unserer kleinen Familie dazu. So ganz nebenbei bot der Tierarzt an, sich dafür einzusetzen, dass wir Picasso an die Tierhandlung zurückgeben könnten und unser Geld wiederbekämen. Was sollte das denn? Es ging doch hier um ein Lebewesen und nicht um Geld! Mir war das unverständlich und natürlich kam das für uns niemals infrage. Picasso sollte leben und wir wollten mit ihm leben, er sollte unser Freund werden und unser gemeinsames Kind! Unsere lauten und leisen
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