Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
unterdessen immer mehr. Fast täglich besuchten wir Peter in seinem Pfandhaus, denn dort konnte man immer wieder Neues erleben und erfahren. Aber darunter auch viele traurige Geschichten, denn kein Mensch kann von sich behaupten, er habe genug Geld zum Leben, wenn er sein letztes Hab und Gut ins Pfandhaus tragen muss. Ich wäre eine sehr schlechte Pfandleiherin, denn verdienen würde ich hier nichts, im Gegenteil, denn ich würde den Menschen noch etwas schenken, damit sie den nächsten Tag etwas zu essen haben. Aber Peter ist da knallhart und er hat keine Gewissensbisse, auch nicht, wenn eine Mexikanerin mit drei kleinen Kindern in den Laden kommt und ihren ohnehin schon billigen Ehering in Zahlung geben muss, um ihren Kindern etwas zu essen zu kaufen, damit sie von ihrem Hunger erlöst werden. Aber nur diesen einen Tag und dann ist der Hunger wieder da und das Geld und der Ring sind weg. Aber es ist ja Peters Beruf und der versierte Kaufmann, der in ihm steckt, weckt immer wieder die Gier, billig anzukaufen und teuer zu verkaufen.
An einem Tag, an dem wir wieder mal einen Abstecher zu Peter machten, kam kein unbekannter armer Mann in den Laden, sondern unser Freund Ernesto. Ihm war es furchtbar peinlich, dass wir unfreiwillig Zeuge wurden, wie er zwei wunderbare Gemälde von seiner Frau Carolyn bei Peter in Zahlung gab und dafür ein niedliches Kleingeld bekam. Ernesto, der große Firmenchef von „Oceantime“, musste wohl gerade etwas klamm sein, oder warum sonst ging er in das Pfandhaus?
Er erzählte uns so ganz nebenbei, dass die „Wendy“, das Boot an dem wir durch unsere Anteile Miteigentümer geworden waren, aus dem Wasser geholt werden musste, weil es einen Motorschaden hatte. Na, davon sollte die Welt ja nun nicht gleich untergehen! Den nächsten Tag verbrachte Robert zusammen mit Ernesto im Hafen, wo wir einen Liegeplatz für die „Wendy“ hatten, um das Ding aus dem Wasser zu ziehen, rauf auf einen Trailer und rein in eine Werkstatt. Es gibt hier viele private Handwerker, die Boote reparieren, aber wir wollten auf der sicheren Seite sein, denn bei den Mexikanern weiß man hier nie, ob sie die Ausländer, die wir ja nun mal sind, nicht so ganz nebenbei doch etwas betrügen. Also kam das Boot in die Werkstatt, die zum Hafen gehört.
Dort lernten wir dann den Amerikaner Ari kennen. Ari ist ein nicht mehr ganz junger, aber charmanter und gut aussehender Mann, dem die mexikanische Sonne eine bronzefarbene Haut und ausgebleichte Haare verpasst hat. Er war ein toller Mann und noch dazu hatten wir das notwendige Vertrauen, dass unser Boot bei ihm in besten Händen war. Ari versprach uns, sich so schnell wie möglich darum zu kümmern. In der Hoffnung, dass sich unser Boot bald wieder im Wasser tummeln konnte, gingen wir davon und freuten uns innerlich, dass es hier noch Menschen gab, auf die man sich verlassen konnte. Nun vergingen aber nicht nur Tage, sondern Wochen und es geschah nichts. Die „Wendy“ ruhte friedlich mit ihrem kaputten Motor auf einem Trockendeck vor der Werkstatt. Angeblich fehlten Ersatzteile, die von Amerika geschickt werden mussten und das dauerte eben. Das war natürlich für unser nicht so goldig laufendes, neues Geschäft nicht sehr toll. Das Boot sollte nicht stehen, sondern vermietet werden und mit schneller Fahrt und mit immer wieder neuen Kunden über den Ozean brausen. Doch daran war nicht zu denken. Dann aber war irgendwann der Tag gekommen und der Motor lief wieder. Unsere Freude wurde jedoch getrübt, denn Ernesto beichtete uns so ganz nebenbei, dass er die Reparatur von 5 000 Dollar nicht bezahlen konnte, jedenfalls nicht im Moment. Da wir Miteigentümer waren, läge es ja nahe, dass wir die Reparatur bezahlten, um endlich wieder mit dem Boot zu arbeiten.
Aber warum nur war die Rechnung so hoch? Das war uns unbegreiflich, denn die Ersatzteile und die Reparatur waren ziemlich billig gewesen. Bis uns gesagt wurde, dass sich doch die Lagergebühren leider erhöht hätten. Von zwanzig Dollar pro Tag auf das zehnfache. Jeden Tag hat das Boot so zweihundert Dollar für Ari und seine Werkstatt gebracht, nur dadurch, dass es einfach still dalag.
Jetzt wurde uns auch klar, warum das alles so lange gedauert hatte. Hier kann jeder die Preise so setzen, wie es ihm gefällt. Und das können nicht nur die Mexikaner, sondern auch ein US-Amerikaner wie Ari, der uns unter seiner schönen Fassade jetzt immer fieser
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