Mich gibt s ubrigens auch fur immer
seinem Vater gelaufen und hat unter künstlichen Tränen behauptet, ich hätte ihn mit dem heiÃen Kaffee verbrüht. Und schon war er das Opfer. Verpetzen kann man so einen Mistkäfer natürlich nicht, deswegen habe ich mich stoisch vom besorgten Vater und der Heimleitung anschnauzen lassen. Oscar hat strahlend dabei zugesehen. Ich dachte schon, er würde gleich auch noch juchzend in die Hände klatschen. Seither verfinstert sich meine Miene bei seinem Anblick immer ein wenig. Ich vermute, sein Vater hält mich deshalb für eine kinderfeindliche und damit auch gesellschaftliche Totalversagerin. Kinder sind doch schlieÃlich die Zukunft, nicht? Und deren Eltern haben immerhin schon etwas für unser aller Rentenkonto getan, indem sie Spermie und Eizelle gekonnt aufeinanderprallen lieÃen. Und was habe ich bisher für die Gesellschaft getan? Nichts! Ich schaffe es ja nicht mal, den Heiratsantrag meines Freundes anzunehmen.
Und da höre ich doch schon den süÃen kleinen Oscar zetern. »Müssen wir wirklich zu Oma?«
Besorgt schaue ich zu Lilly. Sie sieht für einen kurzen Moment betroffen aus, fängt sich aber sofort wieder.
»WeiÃt du«, hat sie mir mal anvertraut. »Menschen, die lieben, sind glücklicher als solche, die geliebt werden.«
Dann muss Lilly wohl einer der glücklichsten Menschen der Welt sein. Denn sie hat ein echt groÃes Herz, und ich habe aus ihrem Mund überhaupt noch nie ein böses Wort über einen anderen Menschen gehört.
»Ich will so einen Schokoladenweihnachtsmann«, kräht Oscar mich an.
»Der kostet einen Euro«, sage ich knapp, erwidere seinen herausfordernden Blick und mache keine Anstalten, ihm einen Weihnachtsmann zu geben.
»Ich erledige das«, sagt Johann genervt. »Aber sag schön erst mal Hallo zu Oma.«
Der korrupte Knabe setzt ein gieriges Lächeln auf und geht zu Lilly. »Hallo, Oma.«
Sie streichelt ihm freundlich übers Haar. Mit leicht zusammengekniffenen Augen schmiegt sich Oscar kurz an sie und versucht dabei, den Blick seines Vaters aufzufangen, als wolle er sagen: »Sieh her, dafür sind doch wohl mindestens zwei Weihnachtsmänner drin.«
Johann schiebt mit einem Espresso für sich und dem Weihnachtsmann für seinen Sohn ab. Mich hat er kein einziges Mal angeguckt. Vielleicht ist er mir immer noch böse. Vielleicht sind Servierer in seinem Weltbild auch nur ein sprechender Teil des Mobiliars. Weil die Jungs sich mit Lilly an den Tisch direkt vor meinem Tresen setzen, muss ich alles mit anhören.
»Elke und Josie haben mich gebeten, mit dir zu reden.« Elke ist seine Frau. Leicht verlegen schiebt Johann seinen Teelöffel auf dem Tisch hin und her. Oscar hat derweil seinen Weihnachtsmann mit einem Biss geköpft und guckt nun gelangweilt die beiden Erwachsenen an.
Ich strecke ihm die Zunge raus, woraufhin er hektisch am Ãrmel seines Vaters zupft. Aber der hat zu meinem Glück gerade Besseres zu tun.
»Wir machen uns Sorgen.«
Die Familie sorgt sich um Lilly? Das sind ja mal ganz neue Töne!
»Weshalb denn nur?« Genau wie ich hat Lilly keinen blassen Schimmer.
»Wenn das so weitergeht, fliegst du hier noch raus. Und wo willst du dann wohnen? Wir würden dich ja aufnehmen, aber du weiÃt ja, dass wir einfach sehr wenig Platz haben.«
Ich werde schon wieder wütend. Lilly hat ihr geliebtes Haus an ihre Familie abgetreten. Sie ist nur deswegen ausgezogen, weil sie den Undankbaren Platz schaffen wollte. Und jetzt soll sie jedes Recht verloren haben, wieder einen Fuà über die Schwellen zu setzen? Und warum sollte sie überhaupt rausfliegen? Sie zahlt ein so ordentliches Sümmchen für ihren Platz hier, dass man sie nicht so leicht ersetzen kann.
»Oh, aber ich will gar nicht zu euch ziehen. Warum sollte ich denn hier rausfliegen?«, stellt Lilly munter meine Frage.
»Frau Fröhlich hat mir erzählt, dass du gestern Nacht wieder drauÃen warst.« Frau Fröhlich ist die Heimleiterin, die ihrem Namen absolut gar keine Ehre macht. Bei der Oscar-Kaffee-Affäre hat sie mich als »unfähige Kuh« beschimpft, ohne mich auch nur einmal nach meiner Version der Geschichte zu fragen. Hätte unser Koch Fabian nicht eine Schwäche für mich und sich für mich eingesetzt, wäre ich sicher arbeitslos. Johann schaut finster auf die Tischplatte. Das Gespräch ist ihm merklich
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