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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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machte mich nicht unglücklich. Im Gegenteil, ich war selig. Endlich konnte ich den ganzen Tag mit meiner anne verbringen. Auch wenn das harte Arbeit bedeutete, aber das war mir egal.
     
    Vom Frühling bis in den Herbst hinein waren die Frauen bei uns mit der Essensbeschaffung beschäftigt: Anbau, Pflege und Ernte. Vor allem die Konservierung der verschiedenen Lebensmittel war wichtig, da wir damals weder Kühlschränke noch Gefriertruhen kannten. Alle Lebensmittel mussten so eingemacht werden, dass sie auch Monate nach der Ernte noch bekömmlich und genießbar waren. Die türkische Küche ist ja reich an Rezepten mit eingelegtem Gemüse. Saure Gurken, eingelegte Tomaten, Paprika oder Weißkraut gehören zu fast jeder Mahlzeit und werden das ganze Jahr über serviert. Kein Wunder also, dass die Frauen viel Mühe auf das Einlegen und Einmachen der verschiedenen Gemüsesorten verwenden.
    Meine anne war eine gute Lehrmeisterin. Sobald ich die Schule quittiert hatte, nahm sie mich unter ihre Fittiche. Oft kam auch meine Großmutter dazu, und zu dritt arbeiteten wir tagelang an einer Gemüsesorte. Tomaten zum Beispiel haben wirgrün geerntet. Sie mussten zunächst gewaschen und ihre Schalen an einigen Stellen gelöchert werden, so brachte es mir anne bei. Bei dieser Arbeit musste man vorsichtig hantieren, um die Früchte nicht zu zerquetschen. Danach legten wir die Tomaten in ein großes Keramikgefäß und übergossen sie mit einem Sud aus Essig, Salz, Knoblauch und Wasser. Sie mussten in der Flüssigkeit schwimmen, und zwei Monate später waren sie fertig. Ähnlich machten wir es mit Paprika und Bohnen. Vor allem die Bohnen mussten ganz frisch eingelegt werden. Es war also wichtig, dass wir schnell und sorgfältig arbeiteten. Die Bohnen wurden nicht zerkleinert, sondern als Ganzes in den Sud gelegt. Am aufwendigsten war das Weißkraut. Die riesengroßen Köpfe wurden in kleine Stücke geschnitten, gewaschen, gesalzen und dann ebenfalls in große Gefäße mit einem Wasser-Essig-Sud gelegt. Ich mochte alle eingelegten Gemüsesorten, und es machte mir großen Spaß, bei der Arbeit zu helfen. Waren wir bei uns fertig, sind wir zu anneanne in den Garten gegangen und haben dort weitergearbeitet.
    Dazwischen mussten natürlich alle anderen Arbeiten erledigt werden. Mein Tag begann jetzt noch früher. Während ich als Schulkind immer erst um sieben aufstehen musste, war ich jetzt schon um sechs auf den Beinen. Als Erstes musste in der Frühe Wasser geholt werden. Das war oft meine Arbeit. So bin ich am Morgen meistens zu unserem Brunnen gegangen und habe zwei große Eimer voll Wasser geholt. In jeder Straße gab es einen Brunnen, und unserer lag etwa 50 Meter vom Haus entfernt. Das war eigentlich nicht weit, aber für ein Kind meines Alters war das ein ziemlicher Kraftakt, an jeder Hand einen 10-Liter-Eimer, gefüllt mit Wasser bis zum Haus zu tragen. Manchmal ist mir einer heruntergefallen, das war dann ein großes Malheur, weil ich dabei meistens nass wurde. Vor allem mein Vater hat sich darüber immer aufgeregt. Noch bevor er richtig wach war, hat er schon rumgebrüllt. Anne tat das nie, sie gab mir trockene Sachen zum Anziehen, und dann bin ich wieder losgelaufen. Nachdem frisches Wasser im Haus war, ist mein Vater endlich auch aufgestanden.Jetzt konnte er sich waschen und anziehen. Anne und ich hatten zu dem Zeitpunkt meistens schon zwei Stunden Arbeit hinter uns. Aber das war normal.
    Seit meiner Verlobung befand ich mich in einem Schwebezustand – ich war kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. Obwohl ich mich als Kind fühlte, gaben mir alle anderen zu verstehen, dass das nicht stimmte. Selbst meine Freundinnen. Wenn ich draußen mit ihnen spielen wollte, was ohnehin selten genug vorkam, weil ich keine Zeit mehr hatte, lachten sie mich aus. Ich sei doch jetzt verlobt, warum ich noch mit ihnen spielen wollte? Das hat mich tief gekränkt, und ich verstand es auch nicht. Für mich gab es also nur Arbeit, aber davon hatten wir ja reichlich. Regelmäßig wurde ich jetzt zum Schafe- und Ziegenhüten eingesetzt. Nur, dass es nun kein Spiel mehr war. Meine Cousine Fidan war in der Schule, also musste ich alleine auf die Berge. Ich genoss die Freiheit dort oben immer noch, aber früher war es unbeschwerter gewesen.
     
    Damals ist auch die Sache mit dem Hund passiert. Ich mochte Hunde nicht besonders und ging ihnen aus dem Weg, so gut ich konnte. Das gelang mir auch meistens, bis an jenem Nachmittag. Zwei Ziegen hatten

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