Michael - der Beschützer
streicheln, ihr seidiges Haar zu küssen und sie zu lieben. Hastig setzte er sich wieder an den Tisch und biss von dem Burger ab, der seinen neu erwachten Appetit nicht stillen konnte. “Ich werde dich nicht im Stich lassen, Lorelei.”
Vor einem Jahrzehnt hatte er zu ihr die gleichen Worte gesagt. Das war am Abend vor ihrem Abflug nach Los Angeles gewesen. Damals hatte er ihr versprochen, dass sie heiraten würden, ein eigenes Heim und Kinder haben würden. Doch als sie zu Thanksgiving heimkam, hatte er sie und alle Schwüre vergessen.
Damals waren sie beide jung gewesen. Es war dumm von ihr gewesen, zu erwarten, dass sich ein Achtzehnjähriger bereits an ein Mädchen band. Das machte nicht einmal ein so verantwortungsvoller Junge wie Michael. Letztlich war jeder seinen eigenen Weg gegangen, wie ihre Eltern, die stets gegen die Romanze gewesen waren, vorhergesagt hatten.
Jetzt hatte das Schicksal Michael wieder in ihr Leben gebracht. Und ihr Verlangen galt nicht mehr einem attraktiven, ernsten Jungen, sondern einem Mann. Noch war sie nicht bereit, ihm ihr Herz anzuvertrauen. Aber Lorelei wusste, dass sie ihr Leben in Michael O’Malleys Hände legen konnte.
“Ich kriege ihn, Lorelei.” Seine tiefe Stimme unterbrach ihre Gedanken.
“Ich weiß”, erwiderte sie und war ehrlich davon überzeugt.
5. KAPITEL
Z u ihrem größten Erstaunen aß Lorelei nicht nur die Pommes frites auf, sondern auch den Krautsalat. Und sie hatte sich nur wenig überzeugend gewehrt, als Michael noch zwei Portionen Brotpudding bestellte.
“Wenn ich weiter so esse, bringt mich die Garderobiere um”, klagte sie.
“Dann läufst du eben morgens etwas mehr”, entgegnete er und beobachtete zufrieden, wie sie die Karamell-Whisky-Soße vom Löffel leckte.
Es überraschte sie nicht, dass er über ihren Morgensport Bescheid wusste. Erst als die Briefe eintrafen, hatte sie darauf verzichtet und stattdessen in ihrem Wohnzimmer zu Aerobic-Kassetten getanzt. “Um dieses Übergewicht loszuwerden, muss ich bis Baton Rouge und zurück laufen.”
“In New Orleans nimmt man alles leicht”, erinnerte er sie. “Man genießt unbeschwert.”
“Du hast leicht reden”, entgegnete sie. “Du gibst dich bestimmt nur selten Ausschweifungen hin.” Dafür, dass sie ihn über zehn Jahre nicht gesehen hatte, schätzte sie ihn sehr gut ein. “Außerdem musst du kein Stripper-Kostüm anziehen.”
“Ein Stripper-Kostüm?” Die Vorstellung gefiel ihm zwar persönlich, aber es war schon schlimm genug, dass sie sich bei Dreharbeiten vor der Kamera in Dessous zeigte. Wenn ihr Verfolger sie erst einmal in einem knappen Slip und einem winzigen BH sah, brach womöglich die Hölle los.
“Sofern man zwei Streifen Pflaster und ein paillettenbesetztes Dreieck von der Größe einer Augenklappe überhaupt Kostüm nennen kann”, fügte sie hinzu.
Michael nahm sich vor, ihren Zeitplan zu überprüfen. Shayne war mehr oder weniger schon ein verheirateter Mann, und es wäre doch ein Jammer gewesen, hätte er bei der fraglichen Szene Wache geschoben.
“Ich dachte, du bist die Heldin, die Gute.”
“Bin ich auch, aber ich nehme in dem Film eine Stelle als Stripperin an, um eine ganz bestimmte Person für mein Buch zu beobachten.”
“Und diese Person landet als Leiche im Bayou.”
“Du hast das Drehbuch gelesen?”
“Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Da der Film bereits ein Stück im Stück darstellt, dachte ich, dein Verfolger könnte eine weitere Ebene hinzufügen wollen.”
“Wie eine Zwiebelschale”, sagte sie leise.
“Richtig. Verfolger neigen dazu, auf mehreren Ebenen zu denken. Sie mögen verrückt sein, aber in ihren Köpfen spielt sich viel ab. Manchmal muss man einfach Geduld aufbringen und eine Schicht nach der anderen abtragen.”
Sie konnte sich gut vorstellen, wie er das machte. Als Jugendliche hatte er sie mit seiner unerschöpflichen Geduld zum Wahnsinn getrieben. Sein Charakter hatte sich im Lauf der Jahre offenbar nur noch weiter gefestigt.
Obwohl Michael darauf bestanden hatte, die Vorhänge zu schließen, und ihre innere Uhr durch die Reise nach Osten durcheinander war, fühlte Lorelei, dass es schon spät war. Der Wind frischte auf. Im Hof schlugen die Wedel der Bananenbäume gegen die Fenster. Blitze zuckten hinter den geschlossenen Vorhängen.
“Vom Golf zieht ein Gewitter auf”, sagte Michael, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Also war ihre Nervosität nicht nur auf Michaels Nähe zurückzuführen. Obwohl sie
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