Michael - der Beschützer
Gegenleistung möchten sich der Bürgermeister und etliche einflussreiche Bürger zusammen mit Amerikas Sexgöttin fotografieren lassen. Das kann ich ihnen nicht verwehren.”
Obwohl er Recht hatte, freute Lorelei sich nicht auf den Abend. “Manchmal wünsche ich mir, es wäre noch wie früher”, sagte sie leise. “Damals wurden Filme ausschließlich im Studio gedreht, und wir mussten nicht für Außenaufnahmen jeden Bürgermeister und Polizeipräsidenten küssen.”
“Das gehört zum Geschäft”, entgegnete der Regisseur locker. “Vergiss nicht, dass du dafür in der so genannten guten alten Zeit den Weg über die Besetzungscouch hättest nehmen müssen.”
Lorelei entschied sich für eine andere Taktik. “Ich habe vergessen, geeignete Kleidung für den Empfang mitzubringen.”
“Kein Problem. Du kannst dir etwas aus dem Fundus aussuchen.”
“Dann bleibt mir die Wahl zwischen einem blutigen Kleid, einem durchsichtigen Unterkleid und dem Kostüm der Stripperin.”
“Kauf dir etwas, und wir setzen es als Werbekosten ab.”
“Und du glaubst, ich finde auf Anhieb etwas Passendes?”
“Warum nicht? Wenn meine Frau an einem einzigen Nachmittag auf dem Rodeo Drive ungefähr so viel ausgibt, wie der Staatshaushalt aller Länder der Dritten Welt ausmacht, solltest du doch ein schlichtes Cocktailkleid finden können.”
Lorelei ergab sich in ihr Schicksal. “Was ist?” fragte sie Shayne, als sie mit ihm zur Einkaufsmeile an der Canal Street unterwegs war. “Hat Eric dich als meinen Begleiter beim Empfang des Bürgermeisters eingeteilt?”
“Michael ist an der Reihe. Er ist nachts und vormittags im Dienst.”
“Vermutlich bin ich nicht euer einziger Fall”, meinte sie.
“Nein”, bestätigte er lächelnd. “Nicht der einzige, aber der wichtigste.”
Lorelei erwiderte sein Lächeln. Bei Shayne konnte sie beinahe vergessen, warum er bei ihr war. Sie waren wie Freunde, die einen Spaziergang durch das Viertel unternahmen.
“Ich kann noch immer nicht glauben, dass du endlich sesshaft wirst”, sagte sie, als sie am Old Absinthe House vorbeikamen, in dem angeblich im Jahr 1815 Andrew Jackson und die Lafitte-Brüder die Verteidigung der Stadt geplant hatten. “Du hast doch stets behauptet, New Orleans wäre zu klein für dich.”
“Ich hatte große Pläne”, bestätigte er. “Und viele von ihnen habe ich auch verwirklicht.”
“Als Spion?” Davon hatte sie gerüchteweise von einer Cousine gehört, die Shayne O’Malley vor einigen Jahren in Tibet getroffen hatte.
“Als Agent der Regierung”, verbesserte er sie. “Ich war eine Art reisender Bürohengst.”
Dieser Mann war nie und nimmer ein Bürohengst gewesen, reisend oder nicht, aber Lorelei ließ das Thema fallen. “Michael hat auch erwähnt, dass du jetzt eine feste Beziehung zu einer Frau hast.” Ihre Cousine hatte ihr von der heißen, aber kurzlebigen Affäre mit dem aufregenden O’Malley-Bruder vorgeschwärmt.
“Sie heißt Bliss Fortune. Sie besitzt einen Antiquitätenladen. Und sie ist unsere Vermieterin. Das Büro der Blue-Bayou-Detektei liegt über dem Laden.”
“Ich weiß noch nicht, wieso Michael dich dabei ertappt hat, als du in den Laden eingebrochen hast”, sagte Lorelei.
“Das ist eine lange Geschichte. In Kurzfassung – ich hielt Bliss für eine internationale Juwelendiebin und wollte sie schnappen. Und ich hatte keine Ahnung, dass Michael das Büro über dem Laden gemietet hatte. Es ist gut ausgegangen. Niemand ist zu Schaden gekommen, Bliss war unschuldig, und wäre sie nicht so verdammt stur, könnten wir bis an unser seliges Ende zusammen glücklich sein.”
Lorelei lächelte. “Sag bloß nicht, dass es eine Frau gibt, die deinem männlichen Charme widerstehen kann.”
“Sie hat mich nicht direkt abgewiesen, aber sie hat mich betteln und flehen lassen. Nun ja, das konnte ich verstehen. Schließlich hatte ich mich als reicher Sammler ausgegeben, um an sie heranzukommen, und ihr nicht die Wahrheit über mich und meinen Job gesagt.” Er blieb stehen. Nicht einmal damals, als sein berühmter Vater nicht zur Feier seines neunten Geburtstags erschienen war, hatte er so unglücklich dreingesehen. “Hast du Zeit für einen Drink? Ich brauche den Rat einer Frau.”
Sie sah nicht einmal auf die Uhr. Shayne war stets ein guter Freund gewesen. Wenn er sich aussprechen musste, zog sie lieber Michaels Zorn auf sich und kam zum Empfang zu spät.
“Ich nehme nur Tee, weil es ein langer Abend wird”, meinte
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