Michael, der Finne
Der Scharfrichter wiederholte dies einige Male, dann ließ er Barbara auf den Boden herab, wo sie, das Gesicht auf den Steinen, liegen blieb. Pater Angelo fragte sie unbarmherzig, ob sie nun gestehen wolle.
Barbara stöhnte, rief laut zur Muttergottes um Hilfe und sprach: »Was habe ich zu gestehen? Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Um Gottes willen, martert mich nicht länger, edle Herren!«
Pater Angelo nickte erbittert dem Manne zu, der nun ein zwanzigpfündiges Steingewicht herbeischleppte. Er band Barbara die Füße zusammen und befestigte das Gewicht an ihren Zehen. Als sie nun wieder emporgezogen wurde, schrie sie gar jämmerlich, ihre Schultern krachten, ihre Zehen dehnten sich immer weiter. Beim ersten Fallenlassen wurden ihr die Schultern ausgerenkt, so daß sie mit nach hinten gedrehten, gerade über den Kopf gestreckten Armen hängen blieb. Sie stieß einen fürchterlichen Schrei aus, der in einem leisen, fortgesetzten Wimmern erstarb, das mich auffahren und wie in Krämpfen erzittern ließ. Pater Angelo fragte mit harter Stimme, ob sie jetzt gestehen wolle; als sie aber zu sprechen versuchte, schwanden ihr die Sinne. Darauf wurde sie herabgelassen; der Scharfrichter rieb ihr mit einem essiggetränkten Lappen die Schläfen und befeuchtete ihr die Lippen mit Branntwein.
Meister Fuchs warf eifrig ein: »Ehrwürdiger Vater, habt Ihr bemerkt, daß sie keine einzige Träne vergossen hat? Hexen können nicht weinen, und das ist der dritte Prüfstein!«
Die Tatsache wurde zu Protokoll genommen. Barbara erlangte das Bewußtsein wieder und stöhnte leise, aber als sich Pater Angelo über sie beugte, um ihr ein Geständnis zu entringen, schien sie die Gabe der Rede verloren zu haben; sie konnte nur den Kopf bewegen.
Um die Sache zu beschleunigen, hieß Pater Angelo den Scharfrichter das Gewicht vermehren, setzte aber hinzu: »Kneble sie, denn sie macht uns taub mit ihrem Geheul, und es ist nicht nötig, diese Untersuchung für die ehrwürdigen Väter und mich selbst so anstrengend zu machen.«
Der Mann schob Barbara einen hohlen, birnenförmigen Holzknebel zwischen die Zähne; der hielt ihr den Mund offen und dehnte die Wangen, hinderte sie aber nicht am Atmen. Als er das Gewicht beinahe verdoppelt hatte, zog er sie mit Hilfe seines Gefährten wieder empor, machte das Seil fest und blieb wartend stehen.
Eine Weile herrschte Schweigen in der Folterkammer. Nur das Knistern der Fackeln und das leise Fließen des Sandes, der durch das Stundenglas des Sekretärs lief, waren zu hören. Barbara hatte aufgehört zu stöhnen, aber ihre Brust hob und senkte sich keuchend. Ich sah ihre schlanken Zehen gräßlich gestreckt; ihre Schultern schwollen an und wurden an den Gelenken blau und schwarz. Der Scharfrichter holte einen Krug Bier aus einer Wandnische, trank daraus und bot ihn seinem Gehilfen. Einer der Dominikaner fing an Gebete zu murmeln und ließ die braunen Perlen seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten. Schließlich konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich brach in heftiges Schluchzen aus, stürzte auf Barbara zu und versuchte, ihr die Last jener schrecklichen Gewichte abzunehmen.
»Gestehe, Barbara, gestehe!« flehte ich in meiner Feigheit. »Gestehe um unserer Liebe willen, denn ich kann es nicht länger ertragen!«
Ihre grünen Augen öffneten sich und starrten ausdruckslos auf mich herab; allein ihr Blick hatte nun keine Gewalt mehr über mich; ich empfand nur den gespenstischen Schrecken dieser Folterung, als ich ihre schlanken Beine in meinen Armen emporhob.
Pater Angelo trat auf mich zu und löste meinen Griff, so daß Barbaras zuckender Körper wieder herabsank und in seinen gemarterten Schultergelenken hing.
»Gestehst du, Hexe?« fragte er, indem er ihr einen Faustschlag gegen die Brust versetzte. »Wenn nicht, so wirst du deinen Gatten Michael mit dir ins Verderben reißen!«
Da bewegte Barbara den Kopf zum Zeichen, daß sie sprechen wollte. Der Scharfrichter erstieg die Leiter, um ihr den Knebel aus dem Mund zu nehmen. Die Mundwinkel waren ihr aufgerissen worden, und Blutgerinnsel sickerten ihr über das Kinn.
»Vielleicht bin ich eine Hexe«, keuchte sie, »aber laßt Michael aus dem Spiel. Er weiß nichts von mir.«
Mit einem Seufzer der Erleichterung befahl Pater Angelo dem Scharfrichter, das Seil nachzulassen, bis die Gewichte auf dem Boden ruhten, so daß Barbara leichter sprechen konnte. Dann wurde sie über jede Aussage einzeln befragt; sie erklärte sie alle für
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