Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
der Sekretär zu einem erlesenen Abendessen ein, dankte mir für meinen Takt und mein feines Empfinden und bot mir ein Lager für die Nacht an und dazu jedes beliebige Mädchen aus der Schar der Mägde des Bischofs, das ich haben wollte. Ich dankte ihm; ein Nachtlager genügte mir. Ich stillte meinen Hunger und ließ ihn mit dem Mädchen, das uns bedient hatte, allein. Reichlich angeheitert eilte ich mit einem Körbchen voll Birnen, Pfirsichen und Trauben, die ich für Barbara von der Tafel mitgenommen hatte, zum Gefängnis und begab mich sogleich zu Meister Fuchs, um ihm mitzuteilen, daß ich seine Vögel betreut hatte.
    Meister Fuchs hatte sich mit glänzender Beleuchtung versehen und schämte sich nicht der acht Wachskerzen, die rings um ihn brannten. Vier waren mit geschmolzenem Wachs am Oberbalken des Stocks befestigt, die anderen vier standen zwischen den Schüsseln und auf dem Rande des Eimers. Er hatte ein reichliches Mahl genossen und war sinnlos betrunken; er schluckte so heftig, daß es ärger klang, als wenn er geflucht hätte. Ich riet ihm, kein Bier mehr zu trinken, da sein Schlucken unser Gespräch störe; er nahm meinen Rat bereitwillig an, und wir tranken gemeinsam Wein aus einem Zinnkrug.
    Als der Boden dieses Kruges zum Vorschein kam, wagte ich es, ihn taktvoll daran zu erinnern, daß der Morgen nahe sei und man bald den Hahn im Hof krähen hören würde. Er dankte mir, daß ich ihm diese unangenehme Sache ins Gedächtnis rief, erklärte aber in seiner gehobenen Stimmung, er wage es nicht, die Todsünde des Selbstmordes zu begehen und freue sich im übrigen schon auf das peinliche Aufsehen, das er bei dem Prozeß erregen werde, und auf das lange Gesicht, das der Bischof ziehen werde, wenn er ihn des Bundes mit dem Teufel bezichtige.
    Ich war verzweifelt. Die Trunkeheit des Kommissärs hatte, wie es schien, alle meine Anstrengungen zunichte gemacht. Ich redete ihm lange nach Leibeskräften zu und sprach von dem letzten großen Dienst, den er der Kirche erweisen und mit dem er seine mehr als zwanzigjährige treue Arbeit in ihrem Dienste krönen könne, und daß er selbst seine unsterbliche Seele zu retten und seine Buße im Fegefeuer abzukürzen vermöchte. Meine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Allein er war nun rührselig geworden und jammerte, ihm fehle der Mut, und Strick und Messer seien ihm gleichermaßen zuwider.
    »Wenn Ihr aber wirklich wollt, Michael, daß ich sterben soll«, setzte er schlau hinzu, »so erledigt das Geschäft für mich. Keiner wird je davon erfahren. Man wird glauben, ich hätte mir selbst das Leben genommen, und nur der Allmächtige Gott wird wissen, daß ich nicht des Selbstmordes schuldig bin.«
    5ein Vorschlag jagte mir zuerst Entsetzen ein; allein ich war nun sinnlos betrunken, und die erstaunliche dialektische Beredsamkeit des Weines überzeugte mich, daß sein Ansinnen nur recht und billig sei. Er steckte seine Hände ins Wasser, und ich öffnete ihm die Pulsadern. Er fuhr zurück und schrie auf; dann war der Schmerz vorbei. Er dankte mir. Ich hob ihm den Humpen zu einem letzten Zug an die Lippen; dann bat er mich, ihn im Gebete zwischen seinen Kerzen allein zu lassen. Und so sagte ich ihm Lebewohl.
9
    Tagelang fühlte ich mich krank und von Gott und der Welt verlassen. Zwar härmte ich mich nicht ungebührlich über Barbaras Schicksal, wußte ich doch, daß der Tod als Erlösung von ihren Leiden kommen würde; allein ich vermißte sie unsäglich und hätte alles darum gegeben, in diesen letzten Tagen bei ihr sein zu dürfen. Aber Pater Angelo blieb hart wie Granit. Er und die beiden anderen Patres, die Barbara auf ihren Tod vorbereiteten, waren ihre einzige Gesellschaft. Alles, was ich für sie tun konnte, war, ihr gutes Essen, Kuchen, Süßigkeiten und Wein zu schicken, die ihr der Schließer abends, wenn die Mönche ins Kloster zurückgekehrt waren, brachte. Ich schrieb ihr nicht, da sie nicht lesen konnte; hoffte aber, daß die guten Dinge, die ich ihr sandte, ihr, wenn sie auch kein Gelüst danach verspüren mochte, doch zeigten, daß ich an sie dachte und sie liebte.
    Ich wohnte nun im Schwarzen Schwan, wohin mein Gepäck samt meinem Anteil an Meisters Fuchs’ Habe gebracht worden war. Ich hatte den Großteil meines Geldes – zusammen etwa hundert Gulden – bei dem Vertreter des großen Hauses Fugger angelegt. Ich brauchte nicht lange zu warten, denn der Rat der Stadt Memmingen teilte mit, der Fürstbischof müsse selbst, gemeinsam mit dem Vertreter des

Weitere Kostenlose Bücher