Michael, der Finne
Bischöfen und hatte diese bereits bewogen, die Beschwerden der Bauern entgegenzunehmen. Er war ein einfacher, frommer Handwerker namens Ulrich Schmid, der selbst keine Beschwerden hatte. Er stand im Rufe der Beredsamkeit, und die Bauern, die im Wirtshaus seines Dorfes einander ihre Not zu klagen pflegten, wählten ihn zu ihrem Führer, weil er seine Bibel so gut kannte. Ohne selbst recht zu wissen, wie es zugegangen war, war er an der Spitze von zehntausend Bauern zu Baltringen angelangt; sie alle bombardierten ihn mit ihren Forderungen.
Er hatte seinen Sitz im Rathaus aufgeschlagen, wo die fahrenden Söldner und bewaffneten Bauern, die seine Leibwache bildeten, rings um ihn tranken und würfelten und lärmten. Er begrüßte Sebastian unter Freudentränen und ernannte ihn sogleich zu seinem Stellvertreter, mit hilfloser Gebärde auf die Briefe und Schriftbündel hinweisend, die seinen Tisch bedeckten, in allen Schränken steckten und in Stößen auf dem Boden lagen. Es waren alles Beschwerden der Bauern gegen ihre weltlichen und geistlichen Herren.
Sebastian versenkte sich sogleich darein, gab aber das hoffnungslose Unterfangen bald auf und sagte, alle Punkte seien in seinen zwölf Artikeln eingeschlossen. Die las er dem aufmerksam lauschenden Ulrich Schmid laut vor, der sie billigte und meinte, Sebastian sei zweifellos von Gott gesandt, um Ordnung in sein, Ulrich Schmids, Denken zu bringen. Er ließ sogleich die Trommeln rühren, um die Bauernführer herbeizurufen, denen die Artikel sodann vorgelesen und erläutert wurden.
Eine Woche voller Erörterungen, Gebete und Erläuterungen verging, bis die Bauern klar erkannten, was ihnen vorgelegt wurde. Ulrich Schmid aber, obzwar ein einfacher Kopf, klammerte sich hartnäckig an alles, was ihm klargemacht wurde, und wiederholte es unermüdlich, bis es selbst dem dicksten Schädel einleuchtete und ihn überzeugte. Auf diese Weise fuhren wir fort, bis schließlich alle Bauern Gottes Gerechtigkeit anriefen und ihre eigenen Bittschriften verbrannten. Sie trugen Ulrich Schmid auf ihren Lanzenschäften rund um ihre Lager. Als jedoch Sebastian und ich einander wiedersahen, waren wir stockheiser und konnten kaum flüstern.
»Laßt uns um Gottes willen diese Artikel drucken«, sagte ich und erzählte ihm, daß ich hundert Gulden in Wechseln auf das Haus Fugger besäße und das Geld, so es Gottes Wille sei, seine Gerechtigkeit auf Erden zu verwirklichen, ja irgendeinmal zurückbekommen würde; sei es hingegen nicht sein Wille, so soll es mir gleich sein, ob ich es wiedersähe oder nicht. Sebastian war außer sich vor Freude und versprach bei seinem Glauben an den lebendigen Gott und die göttliche Gerechtigkeit, das Geld würde mir vergütet werden. Er setzte sich sogleich hin, um die Artikel in die endgültige Form zu bringen und jedem einzelnen eine Erläuterung beizufügen. Er verfaßte auch ein Vorwort »An den christlichen Leser«, wo er hervorhob, das Evangelium rechtfertige keineswegs Gewalt und Aufruhr, sondern lehre allein Frieden, Geduld und Eintracht. Da die Bauern durch diese Artikel lediglich ihren Wunsch nach Verwirklichung dieser Lehren ausdrückten, dürften sie nicht des Aufruhrs beschuldigt werden, schrieb er; im Gegenteil, ihre vernünftigen Forderungen zu bestreiten hieße Gottes eigenes Wort bestreiten.
Ich war stets geneigt, anderen mehr zu vertrauen als mir selbst, und wenn man mir etwas klar, überzeugend und oft genug sagt, kann ich nicht umhin, es zu glauben. Es ist daher begreiflich, daß ich an Sebastians Worten Feuer fing und meine Wechsel freudig hingab, welche der Drucker in Zahlung nahm; glaubte ich doch, jenen unterdrückten Bauern einen Dienst zu erweisen. Bald darauf waren die Artikel fertig und berittene Boten sprengten mit den noch druckfeuchten Abzügen nach Nord und Süd, Ost und West. Später veröffentlichte Doktor Luther in Wittenberg einen Kommentar zu Sebastians Artikeln. Er erklärte die Forderungen der Bauern für gerechtfertigt, ermahnte sie aber dringend, sich mit ihren Herren zu vertragen und Gewalttaten und Blutvergießen zu vermeiden.
Die Nachricht von Doktor Luthers Eintreten und von den zahllosen Bauern, die sich landauf, landab zusammengerottet hatten, um seine Lehre in die Tat umzusetzen, ließ nun die Hoffnungen unserer Leute jedes Maß übersteigen, obwohl die Fürsten durch Schmids Abgesandte diesen warnten und ihn an den Frosch erinnerten, der sich aufblies, bis er platzte. Verächtlich fragten sie, ob Ulrich Schmid
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