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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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recht zu wissen, was sie trieb.
    Zuerst zog ich zur Stadt, in der Barbaras Onkel wohnte und wo sie mich gesundgepflegt hatte, und von dort in den Wald und an den Ort, wo sie mich gefunden hatte. Der Boden war mit Eicheln übersät, im Dickicht grunzte ein Wildschwein. In der Luft lag die Feuchtigkeit des Herbstes. Dort im Wald rief ich laut Barbaras Namen. »Barbara, mein Liebstes, mein Alles – komm zurück! Du hast versprochen, wir wollten uns hier treffen, was immer auch geschähe, und ich bin gekommen, dich zu suchen …«
    Doch nur das Echo antwortete meinen Rufen, und Rael winselte kläglich und ließ das schaurige Heulen des Todes hören, als er Barbaras Namen von meinen Lippen vernahm.
    Unweit stand eine verlassene Kohlenbrennerhütte, und dort richtete ich mich für den Winter ein. Wenn ich gerade daran dachte, pflegte ich zur Stadt zu pilgern, um Proviant einzukaufen. Meist aber saß ich über meiner lateinischen Bibel. Zuweilen schlich eine Wildkatze an die Hütte heran, erkletterte einen Baum, auf dem Rael sie nicht erreichen konnte, und starrte aus ihren leuchtenden, gelbgrünen Augen auf uns herab; dann nannte ich sie Barbara. Ich kam in jenem Winter wohl ganz von Sinnen, achtete ich doch weder Hunger noch Kälte. Ich ließ mir den Bart wachsen, und bald waren meine Kleider schmutzig und zerlumpt.
    Ab und zu fiel Schnee; selbst Wölfe hörte ich im Wald heulen. Dann schmolz der Schnee, die Frühlingswinde setzten ein, und auf den Lichtungen sproßten weiße Blumen. Ich war nun ruhiger geworden und unternahm lange Wanderungen, suchte aber Barbara nicht mehr. Und nun kam sie zu mir. Ich fühlte ihre Nähe im Seufzen des Windes, ihre weichen Lippen, wenn ich ein Blumenblatt zum Munde führte; sie erschien mir flüchtig im traurigen Schein der sinkenden Sonne. Dann weinte ich vor Freude; nun wußte ich mich geheilt. Ich machte mein Äußeres zurecht, so gut ich konnte, und kehrte zu den Wohnungen der Menschen zurück. Um die Mitte des Monats Februar war ich wieder in Memmingen.
2
    Ich kam nicht allein. Jene Gegend Deutschlands stand in Aufruhr, und bewaffnete Bauernhaufen ergossen sich allenthalben über die Straßen. Sebastian Lotzer lebte wieder in seines Vaters Haus, und seine Anhänger hatten die Macht in der Stadt an sich gerissen; der Rat hatte nichts zu bestimmen und zu entscheiden, ohne vorher Sebastian oder seine Wirrköpfe von Stellvertretern zu befragen. Als ich des Kürschners Haus betrat, sah ich Sebastian ein rotweißes Seidenbanner entrollen, darauf das Andreaskreuz genäht war.
    Er stürzte mir mit offenen Armen entgegen. »Ihr seid zur rechten Zeit gekommen, Michal Pelzfuß, denn heute nageln wir unser Banner an seinen Schaft, auf daß die Welt sich wandle und Gottes Gerechtigkeit in Deutschland herrsche!«
    In Lumpen ging Sebastian nun freilich nicht mehr. Er trug wie früher ein samtenes Wams mit Silberknöpfen, obwohl ihn, sein Rang nicht dazu berechtigte. Er war sehr hübsch im Feuer seiner Begeisterung, und seine weit auseinanderliegenden Augen leuchteten, als er anfing, die zwölf von ihm entworfenen Artikel zu verlesen und zu erklären. Gestützt auf diese, im Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit und mit Hilfe von Handwerkern und Bauern wollte er eine neue Ordnung begründen. Ich war nicht sein einziger Zuhörer; in der Stube drängten sich Würdenträger der Stadt, reiche Bauern und die Brüder aus Sebastians evangelischem Kreis. Er las vor:
    »Zum ersten soll eine ganze Gemeinde einen Pfarrer selbst erwählen und kiesen, auch Gewalt haben, denselben wieder zu entsetzen, wenn er sich ungebührlich hielte. Der soll uns das Evangelium lauter und klar predigen, ohne allen menschlichen Zusatz, Menschenlehre und Gebot.
    Zum anderen soll eines Pfarrers Unterhalt aus dem größeren Kornzehent bestritten und der Überschuß zu Nutz und Frommen der Pfarrarmen verwendet werden.
    Zum dritten soll der Viehzehent abgeschafft werden, sintemal Gott der Herr das Vieh dem Menschen zu Nutz hat erschaffen.
    Zum vierten soll die Leibeigenschaft, so dem Worte Gottes widerspricht, aufgehoben werden. Christus hat uns alle mit seinem kostbaren vergossenen Blute erlöst und erkauft, den niederen Hirten ebensowohl als den allerhöchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich in der Schrift, daß wir frei sind, und wir wollen frei sein und keine Obrigkeit über uns erkennen, ausgenommen, was uns Vernunft und christliche Lehre gebieten.
    Zum fünften hat Gott das Wildbret, das Geflügel und die Fische im

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