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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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erwarte, der Allmächtige Gott würde vom Himmel herabsteigen, um als Schiedsherr über diese Artikel sein Urteil zu sprechen. Schmid aber versprach, er würde innerhalb drei Wochen alle berühmten Gelehrten Deutschlands, darunter Luther und Zwingli, auffordern, ihr Urteil abzugeben.
    Auf Sebastians Rat versuchte Schmid, aus allen großen Bauernheeren in den verschiedenen Fürstentümern eine christliche Liga zu bilden und sie alle für Gottes Gerechtigkeit als den Schlüssel zu allen Fragen, die sie bewegten, zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde zu Memmingen ein Treffen abgehalten, zu dem selbst die Leute vom See und der große Allgäuer Haufen Vertreter entsandten. Als aber Sebastian seine zwölf Artikel verlas, erhob sich heftiger Streit, denn die Leute vom See wollten ihre gerechten und vernünftigen Forderungen keineswegs zugunsten eines verschwommenen Begriffes, genannt die Gerechtigkeit Gottes, aufgeben, den jeder nach Willkür auslegen konnte.
    Aber Essen, Trinken und die Kunst der Überredung überzeugten die Hitzköpfe schließlich, daß ihre einzige Hoffnung auf Erfolg in ihrer Einigkeit liege. Die Verhandlungen dauerten bis zum Abend; dann stimmten die ermüdeten Führer alle für Gottes Gerechtigkeit, freilich mit dem Vorbehalt, daß es jedem verstattet bleibe, dies nach Gutdünken auszulegen. Sie erklärten unverblümt, die Artikel seien reiner Unsinn und gingen am Kern der Sache vorbei. Da ihr erstes Ziel die Sicherung ihrer Stellung sein müsse, wurde ein dreizehnter Artikel gefordert, nach dem alle Klöster und Schlösser eingenommen und entwaffnet werden sollten, wenn ihre Besitzer der christlichen Liga nicht beitreten wollten.
    Sebastian meinte verächtlich, ein solcher Artikel sei wertlos, da sie jene Mauern nicht mit ihren bloßen Fäusten einrennen könnten. Darin irrte er aber, denn die meisten Schlösser öffneten freiwillig die Tore, und die Pfeifer und Trommler, die vorher die Gäste beim Festmahl unterhalten hatten, schlossen sich nun freudig den Bauernheeren an und zogen ihnen mit Sprüngen und Scherzen voran. Die Fürsten meinten erbittert, der deutsche Adel benehme sich wie ein Haufen alter Weiber, und es sei leichter, die Bauern zu bekriegen, als ihre Herrschaften zu bewegen, zur Verteidigung ihrer althergebrachten und ererbten Rechte zum Schwert zu greifen.
    Von der Zwietracht und dem Gezänk, das mit der Gründung der christlichen Liga endete, will ich nur noch erwähnen, daß die drei Bauernheere, um Sebastian zu gefallen und ihn zu besänftigen, seine rotweiße Fahne mit dem Andreaskreuz zu ihrem Banner machten. Die Leute vom See, aus dem Allgäu und aus Baltringen schworen, einer für alle und alle für einen Gut, Blut und Ehre daranzuwagen. Die Nachricht, daß Ulrich, der frühere Herzog von Württemberg, offen erklärt hatte, er werde ihre Sache unterstützen, schweißte sie noch mehr zusammen. Er hatte mit dem Geld des Franzosenkönigs in der Eidgenossenschaft ein Söldnerheer angeworben und war nun auf dem Marsch in kaiserliches Gebiet, sein Herzogtum zurückzuerobern.
    In jenen fieberhaft erregten Frühlingstagen liefen nichts als gute Nachrichten ein, und als die zwölf Artikel unter das Volk verteilt waren, wurde Baltringen zum Treffpunkt der Bauernabgesandten, wo sie ihre gemeinsamen Forderungen einander mitteilten und erörterten. In Süddeutschland gärte es, und die einzigen Streitkräfte, welche die Fürsten und die kaiserlichen Statthalter hatten auftreiben können, zogen nun gegen Herzog Ulrich. Kein Wunder, daß die Bauern frohlockten, sich’s in der Frühlingssonne wohl sein ließen und die üppige Gastfreundschaft der Klöster weidlich genossen. Sie vertrauten felsenfest auf ihre Führer; die würden mit den Fürsten schon fertig werden.
    So wurde kostbare Zeit vergeudet, bis wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht einschlug, daß der Kaiser nicht, wie erwartet, dem Franzosenkönig bei Pavia unterlegen war, sondern dort den größten Sieg seit Menschengedenken errungen hatte. Die schweizerischen Söldner in Frankreichs Diensten waren aufgerieben und Seine Allerchristlichste Majestät gefangengenommen worden. Das schreckte alle Besonnenen. Die Bauern fingen an, vom Pflügen und von der Frühjahrsaussaat zu sprechen, und die Klügsten verdrückten sich nach Hause. Die Mehrzahl aber verließ sich weiterhin auf Gottes Gerechtigkeit.
    Ulrich Schmid und die anderen Abgesandten zogen demütig nach Ulm zu Verhandlungen mit den Fürsten, die nun eine andere Sprache

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