Michael, der Finne
durch die Lombardei, hungrig und zerlumpt, ohne einen Pfennig in der Tasche, um in Mailand Zuflucht zu finden, da wir wieder starke Mauern um uns haben wollten. Aber in Mailand hatte die Pest gewütet; alle Betten in den verlassenen Häusern waren angesteckt, die Bevölkerung auf ein Drittel zusammengeschrumpft; vor allem aber gab es dort nichts mehr zu stehlen, denn das hatte die kaiserliche Garnison schon besorgt. Daher verließen wir eilends die Stadt durch das Osttor, während die Franzosen zum Westtor einmarschierten. All dies entmutigte den Herzog von Bourbon gar sehr.
Er dankte uns für unsere treuen Dienste und sagte uns traurig Lebewohl, da er anderswo dringend zu tun habe. In der ummauerten Stadt Pavia ließ er fünftausend deutsche Landsknechte und zweihundert spanische Arkebusiere zurück, die immer noch den Versprechungen des Kaisers vertrauten; er wollte nämlich wenigstens einen Teil des Herzogtums im Namen seines Herrn weiter besetzt halten. Ich aber und viele andere lehnten dankend ab und verbrachten einen traurigen Winter in der Lombardei, zur Verzweiflung der Bevölkerung.
Inzwischen belagerte der Franzosenkönig Pavia, und das war eine härtere Nuß, als er dachte. Doch war er auf die Eroberung der Stadt so erpicht, daß er sogar versuchte, den Fluß umzuleiten, um die Stadtmauer am schwächsten Punkt berennen zu können. Mit den herbstlichen Regenfällen aber stieg das Wasser und schwemmte alle seine Bauten hinweg, und die Sappeure dazu, Gott hab’ sie selig. Drei Monate vergeudete er vor Pavia, und seine Streitkräfte waren so zahlreich, daß er einen Teil davon zur Besetzung Neapels entsandte, um Zeit zu sparen. Zu Anfang des Monats Februar aber kehrte der Herzog von Bourbon mit zehntausend Landsknechten unter Frundsbergs Befehl aus Deutschland zurück. So konnten er, der kaiserliche General Marquis von Pescara und der Vizekönig von Neapel, de Lannoy, aus uns wieder eine Art Heer zusammenschweißen. Wir zogen vor Pavia und begannen dort unsererseits den Belagerer, den Franzosenkönig, zu belagern, dessen Truppen sich hinter uneinnehmbaren Feldbefestigungen verschanzt hatten; von dort aus drehten sie uns lange Nasen und machten schnöde Bemerkungen über unsere Tapferkeit, unsere Herkunft und ähnliches.
Wir befanden uns in der Tat in einer recht mißlichen Lage, denn von den Hügeln aus sahen wir, wie die französischen Lagerfeuer einen geschlossenen Ring um Pavia bildeten. Die Kaiserlichen, meinte ich, waren noch nie so übel daran gewesen. Die Übergabe der Stadt war nur eine Frage der Zeit. Die Männer waren seit sechs Monaten nicht entlohnt worden, und wenn ich dir sage, daß sie schon alle Esel, Hunde und Katzen, die dort herumliefen, verzehrt hatten, so wirst du einsehen, daß sie guten Grund hatten, niedergeschlagen zu sein.
Zwei Wochen warteten wir vor der belagerten Stadt, während die Offiziere des Kaisers untereinander berieten, was zu tun sei. Endlich beschlossen sie, dem Glück zu vertrauen und nachts in den Park Mirabello einzubrechen.«
»Einen Park?« rief ich aus. »Was kann ein Park mit der Schlacht von Pavia zu tun haben?«
»Erzählst du diese Geschichte oder ich?« erwiderte er scharf. »Dieser Park, der dem Herzog von Mailand gehörte, war sehr groß und von einer Mauer umgeben. Er lag unmittelbar vor der Stadtmauer. Es gab darin keinen einzigen Hirsch oder Pfau mehr, denn die Franzosen hatten alles Lebendige darin aufgefressen. Der Marquis von Pescara beschloß, wir sollten im Schutz der Nacht unsere gesamten Kräfte nördlich dieses Parks sammeln, einbrechen und die Franzosen überraschen.«
Andy hob nachdenklich die Augen zur Decke, betrachtete dann bewundernd seine riesigen Hände, schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Pescara hielt eine Ansprache an die Spanier, und Frundsberg sprach zu uns Deutschen. Er sagte, auf der ganzen Welt gehöre uns nichts als das Fleckchen Erde, auf dem wir ständen, unser Brot gehe am nächsten Tag zur Neige, und der Kaiser sei arm geworden und könne uns nicht entlohnen. Bei diesen Worten weinten viele Männer, und wir fühlten uns wieder wie mutterlose Lämmer. Aber er machte uns Mut, meinte, das Lager des französischen Königs sei voll Wein, Fleisch, Brot und zum Bersten gefüllter Geldtruhen, und dort erwarteten uns die edelsten Herren Frankreichs, deren Lösegelder die, welche sie gefangennähmen, zu reichen Männern machen würden.
Es war eine windige, bedeckte Februarnacht, die ich nie vergessen werde. Nie habe ich so
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