Michael, der Finne
Geld versoffen hatte. Ich bin gekommen, weil ich wußte, daß ein frommer Wirrkopf wie du mitten im Hexenkessel landen würde – und nun kann ich dich herausziehen.«
»Du bist so dumm, wie du aussiehst, Andy«, versetzte ich. »Du verstehst nichts davon. Die armen Bauern und Handwerker hierzulande haben sich wie ein Mann erhoben, um eine neue Ordnung auf Grund von zwölf ausgezeichneten Artikeln zu errichten, die ich dir jetzt nicht aufzählen will. Du würdest sie doch nicht verstehen. Ich will dir nur versichern, sie sind vortrefflich; ich selbst half mit, sie aufzusetzen. Gottes Gerechtigkeit soll auf dieser Welt wahr gemacht werden, wenn nötig mit Gewalt, und ich freue mich, daß du gekommen bist, die gute Sache zu unterstützen.«
Andy gähnte und kratzte sich hinterm Ohr.
»Schön; du bist ein Gelehrter und in diesen theologischen Dingen gut beschlagen. Ich habe auf meinem Weg durch das Land auf der Suche nach dir nur bemerkt, daß diese neue Ordnung ihren Schöpfern anscheinend über den Kopf gewachsen ist. Viele, die sich als ihre Vorkämpfer ausgeben, sind alles eher als gute Leute. Eine Teufelsbrut. Ich möchte dich lieber nach Italien mitnehmen, wo die Bäume goldene Früchte tragen.«
Er meinte es gewiß gut. Ich lächelte mitleidig und sagte: »Wir wollen nicht streiten, sondern einander lieber unsere Abenteuer erzählen. Ich bin neugierig zu hören, was du alles unternommen hast und wie du es so weit gebracht hast. Und ich werde dir von meinem Unglück erzählen, damit du erkennst, ich bin nicht mehr derselbe wie damals, als wir uns trennten.«
Doch bei dem Worte »weit gebracht« sah Andy düster drein und entgegnete: »In jedem Becher schwimmt ein Wermutstropfen, und damit meine ich nicht Strapazen, Entbehrungen, Kälte, Hunger, Fieber und Wunden. Die sind in kaiserlichen Diensten unvermeidlich. Ich meine etwas anderes; doch davon später. Du aber brauchst mir von deinen Kümmernissen nichts zu erzählen; ich erfuhr alles auf meinem Weg von Memmingen nach Baltringen auf der Suche nach dir. Ich kenne das Schicksal deines Weibes und teile deinen Schmerz, wenngleich es mich nicht überraschte. Jedermann, ausgenommen ein Argloser wie du, sah, daß sie eine Hexe war. Ich höre auch, du bist ein Anhänger von Luthers Lehre und ein Aufwiegler geworden. Daher hast du mir nichts Neues zu berichten und läßt besser mich reden, da ich dir viel Lehrreiches mitzuteilen habe. Wir könnten uns ebensogut eine Erfrischung gönnen, denn meine Geschichte wird bis zum Abend dauern.«
Solcherart an meine Wirtspflicht gemahnt, eilte ich, meine Müdigkeit vergessend, die Treppe hinab und traf des Gewürzhändlers Weib in der hinteren Küche, wo sie eben frischgebackenes Brot aus dem Ofen nahm. Sie war über die Maßen erbost und gluckte wie eine Henne.
»Meister Michael, guter Herr, ich will von Eurem Freund, der bezahlt, was er trinkt, und gar gesittet zu reden weiß, nichts Schlimmes denken. Aber ich kann ihm nicht erlauben, diese fremdländische Schlampe in mein ehrbares Haus zu bringen. Sie redet eine heidnische Sprache, ist unverschämt, trägt Gewänder, die ihr nicht zukommen, und auf dem Kopf Federn statt der zwiegehörnten roten Kappe, die sie verdient. Diese Schande muß ein Ende haben, und ich hoffe, Euer Freund wird bald zur Vernunft kommen und die Dirne zum Teufel jagen.«
Über ihre Bemerkungen baß erstaunt, rief ich Andy herunter und fragte ihn aus. Er bekreuzigte sich fromm und sagte: »Ich möchte gerade so gern einen Sack voll Wildkatzen bändigen; im Augenblick möchte ich nicht von ihr sprechen und mir dadurch den Appetit verderben. Sie ist der Wermutstropfen im Becher meiner Freuden.«
Er leerte einen Humpen Bier in zwei Zügen und bestellte noch einen.
»Doch sollte man Wermut nicht schmähen«, setzte er hinzu. »Die Italiener brauen ein starkes Getränk aus Wein und Wermut, das schon viele von Magenkrämpfen und Schüttelfrost kuriert hat.«
Ich ermahnte ihn eindringlich, seine Gier nach Bier und Wein zu bezähmen, und erinnerte ihn an die schlimmen Folgen, aber er widersprach mir rundheraus.
»Es ist klar, du hast nie an einem richtigen Feldzug teilgenommen«, bemerkte er. »Ein guter Soldat trinkt niemals Wasser, sondern gibt, wenn nötig, seinen letzten Stüber für Wein oder Bier aus. Ich habe allzu viele Kameraden dahinsiechen und sterben sehen, weil sie abgestandenes Wasser getrunken hatten. Mein Rottmeister traute weder Seen noch Tümpeln noch Flüssen; aber wenn du schon
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