Michael, der Finne
geschwitzt wie damals mit meiner Brechstange an der hohen Parkmauer von Mirabello! Wir hatten Befehl erhalten, weiße Hemden zu tragen, oder wenigstens weiße Armbinden, damit wir im Dunkeln und im Durcheinander des Angriffs die eigenen Leute zu erkennen vermöchten. Das war aber leichter gesagt als getan, denn unsere zerfetzten Hemden waren alles eher als weiß. Wir taten, was wir konnten, und jeder erhielt einen Lappen – bei etwas gutem Willen konnte man sogar sagen, einen weißen Lappen. Diese Vorsicht stellte sich jedoch als nutzlose Verschwendung wertvollen Leinenzeugs heraus, denn die Mauer war stärker, als wir dachten, und der Tag brach an, als wir endlich in den Park eindrangen. Der Feind hatte aber längst Alarm geschlagen, und wir sahen uns dem französischen Heer gegenüber, das in tadelloser Schlachtordnung zum Kampf bereitstand. An der Spitze seiner stahlgepanzerten Ritter saß König Franz selbst in goldverzierter Rüstung auf einem Schimmel. Sie hatten selbst Zeit gefunden, ihre Geschütze in Stellung zu bringen, und wir erhielten einen heißen Willkommenskuß. Die französischen Kanoniere schossen mit mehreren aneinandergeketteten Kugeln, was jeder anständigen Kriegstradition widerspricht. Arme und Beine wirbelten bei der ersten Salve wie die Blätter irrt Herbst umher, und unsere Vorhut holte sich blutige Köpfe und mußte in den Gebüschen Schutz suchen.«
»Aber war das ein Wunder Gottes?« fragte ich. »Ich verstehe nicht, wie euer kleines Häuflein die unbesiegbarste Armee Europas überwinden konnte.«
Andy erwiderte nach einigem Nachdenken: »Ich glaube, Gott hatte mit der Schlacht bei Pavia nicht viel zu tun, denn dort kämpfte Seine Allerchristlichste Majestät von Frankreich gegen seine Kaiserliche und Katholische Majestät, und der Heilige Vater deckte beide – das heißt, wenn ich die politische Seite der Sache richtig verstanden habe. Ich führe unseren Sieg auf die vollendete Feldherrnkunst Pescaras und unsere eigene Tapferkeit zurück. In jenem Augenblick aber waren wir gar weit vom Sieg. Als die kaiserliche Reiterei mit gefällten Lanzen anritt, stieß die Blüte der französischen Ritterschaft einen fürchterlichen Schrei aus. Der König gab seinem Roß die Sporen, und die stolzeste Reiterei der Welt fegte gleich einer Wetterwolke mit goldenen und silbernen Blitzen einher; ihr donnernder Hufschlag ließ den Boden erzittern. Sie hieben unsere Reiter in Stücke. König Franz durchbohrte einen italienischen Fürsten, dessen Namen ich vergessen habe, mit dem Speer, und er endete unter seinen Hufen. Der König glaubte, die Schlacht sei vorbei; ehrlich gestanden, wir glaubten es auch, als wir ihn nun mit den Piken angingen, während Frundsberg keuchend und mahnend neben uns einherlief. Frundsberg wußte so gut wie wir, daß ein Glied schwerfälliger Pikeniere gegen gepanzerte Reiter wenig zu bestellen hatte – und nun rückten auch schon die Schweizer gegen unsere andere Flanke vor. Die hatten es um so eiliger, als sie die Deutschen haßten und die Siegerehren mit den Franzosen teilen wollten. Dies, glaube ich, war der entscheidende Augenblick der Schlacht, wenngleich wir es damals nicht wußten. Wir zögerten, um ein letztes Gebet zu sprechen und Gott unsere Seelen zu empfehlen, bis der Druck von hinten zu stark wurde und uns vorwärts trieb – was natürlich beabsichtigt war. Um diesen notwendigen Druck zu erzeugen, werden ja die Pikeniere zum Angriff in Vierecken aufgestellt, die zehn Mann tief sind.«
Ich war so sehr in Andys Bericht versunken, daß ich schier zu atmen vergaß, und die Witwe bekreuzigte sich und ließ Ausrufe der Furcht und des Schreckens hören. Andy begann, Brotrinden, Knochen und Messer auf dem Tisch auszubreiten und schob sie im Weitererzählen hierhin und dorthin, ordnete sie auch wieder neu.
»Dieses Vorschneidemesser ist König Franz und seine Reiterei. Dieser fettige Knochen ist der Haufen Schweizer, der jetzt vorrückt. Dies Stücklein Leber aber stellt die schwarzen italienischen Truppen vor; die schäumen vor Wut und stürzen vor die Schweizer, um deren Lorbeeren zu teilen, weil sie denken, der Krieg geht um Italien, und da wollen sie auch ein Wörtlein mitreden. Sie verdecken den französischen Kanonen das Schußfeld, so, und der Seneschall des französischen Königs springt wie verrückt hin und her und reißt sich die Federn aus dem Helmbusch, so. Unsere eigene Vorhut ist bis an die Ritze hier zurückgegangen. Aber jetzt das Weinglas hier –
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