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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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selbst gesehen und gehört hast. Ich kann nur eines sagen: sowohl der Kaiser als auch der König handeln verbrecherisch, indem sie einander bekriegen, während doch alle ihre Erbschaftsansprüche auf gesetzlichem Wege bereinigt werden könnten, so daß beiden Teilen Gerechtigkeit widerfährt.«
    Andy lachte herzlich.
    »Die Fragen ihrer Erbschaft und der Bündnisse und Abmachungen ihrer Vorfahren sind so verwickelt, daß nicht einmal der Teufel selbst sie zu entwirren vermöchte, und viele gelehrte Juristen haben darüber den Verstand verloren und sind Mönche geworden. Kaiser und Könige erkennen nur das Recht der Gewalt an; wer die größere Anzahl von Pikenieren, Arkebusieren, Reiterei und Geschützen aufbringt, gewinnt den Prozeß. Das Herzogtum Mailand war der offizielle Vorwand für den Krieg, und es war im Besitz des Franzosenkönigs, als ich und andere tapfere Männer die Alpen überschritten und die Franzosen in die Provence jagten, unterwegs plündernd, vergewaltigend und mordend. Denn unser Führer war der Herzog von Bourbon, Konnetabel von Frankreich, der in seiner Erbitterung gegen König Franz diesem so viel wie möglich schaden wollte.«
    Die Witwe des Gewürzhändlers bekreuzigte sich und erklärte, sie könnte Andy nicht solcher Verbrechen für fähig halten. Ich fragte, wie der Konnetabel von Frankreich mit dem Kaiser gemeinsame Sache gegen seinen eigenen König machen konnte.
    Andy zerknackte, einigermaßen in Verlegenheit über die Bemerkung der Witwe, einen Knochen zwischen den Zähnen und warf Rael das Mark zu.
    Dann versuchte er sich zu entschuldigen. »Das Plündern gehört zum Soldatenhandwerk, und ich habe nie einen zum Vergnügen umgebracht, wie es die Spanier machen. Und was die Vergewaltigungen betrifft, so will ich nur sagen, daß nicht wir den Weibern, sondern eher sie uns nachliefen. Was den Konnetabel von Frankreich anlangt, so verriet er seinen eigenen König und ging zum Kaiser über, um unter dessen Schutz ein eigenes Königreich auf französischem Boden zu gewinnen. Dieser Herzog von Burgund aber führte uns so, daß wir wie Butter an der Sonne zusammenschmolzen, und als wir Marseille einige Zeit belagert hatten, mußte ich meine schönen Feldschlangen in den Händen der Franzosen lassen und mich mit vielen anderen nach Italien durchschlagen. Der König von Frankreich hatte wider alles Erwarten ein ungeheures Heer aus dem Boden gestampft und eilte nun Kopf an Kopf mit uns um die Wette über die Alpen nach Mailand hinein.«
    Andy geriet in Hitze, hieb wieder auf den Tisch, leerte den Humpen und fuhr fort: »Aber ich wollte euch ja von der Schlacht bei Pavia erzählen, und nun helfe mir Gott, daß ich zur Sache komme, denn das war eine Schlacht, die des Erzählens wert ist. Klügere Kerle als ich haben erklärt, sie habe Europas Schicksal entschieden und die kaiserliche Macht auf Hunderte – ja Tausende – von Jahren hinaus gesichert. Der Kaiser braucht nun, so sagen sie, nur den König von Frankreich zu seinem Vasallen zu machen, mit ihm gegen die Türken zu ziehen und Konstantinopel zurückzuerobern, das zu unserer Schande seit einem Menschenalter unter dem Joch der Ungläubigen schmachtet. Doch zurück zu Pavia. Wir, die zerlumpten, halbverhungerten Reste der Kaiserlichen, krochen über die Alpen zurück gleich einer Horde Bettler oder gleich mutterlosen Lämmern. Alles verspottete uns, und unten in Rom brachten sie an einer alten Statue, die sie pasquino nennen und wo sie ihre Schmähschriften anbringen, eine Notiz an: ›Verloren, gestohlen oder verlaufen: das kaiserliche Heer. Der Finder wird reichlich belohnt.‹ Aber ihr Spott soll ihnen noch teuer zu stehen kommen. Einen, der auf dem Boden liegt, soll man nicht treten, und ein ehrlicher Soldat muß nicht immer an seinem eigenen Unglück schuld sein, wie wir aus des Franzosenkönigs traurigem Schicksal ersehen.«
    Ich bat ihn, doch endlich zur Schlacht von Pavia zu kommen, über die ich gar zu gern einen wahren Bericht hören wollte; er aber versetzte etwas verstimmt: »Wie voreilig du bist, Michael! Dies alles gehört schon zu meiner Geschichte. Ein guter Künstler malt nie die Heilige Familie für sich allein; nein, er fügt einen reichen Hintergrund von fruchtbaren Tälern, Weingärten, Wasserfällen und Städten hinzu. Ich habe in Italien vortreffliche Maler an der Arbeit gesehen und weiß, was ich sage. Du wirst diese Schlacht nie verstehen, wenn ich dir nicht alles berichte, was dazu führte.
    Wir stolperten also

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