Michael, der Finne
Wasser trinken mußt, so trinke es heiß und mit Kräutern darin. Diesen guten Rat gebe ich dir weiter, Michael, denn du willst unter die Soldaten, wie es scheint, und in der Stadt haben sich solche Scharen angesammelt, daß uns bald die Pest heimsuchen und die Wassertrinker dahinraffen wird.«
Er sagte dies mit tiefem Ernst, und ich mußte ihm glauben, denn von solchen Dingen verstand er mehr als ich. So trank ich zum Mahle Bier und Wein, und bald saßen wir gar fröhlich zusammen, schlugen einander auf die Schulter und scherzten mit der Witwe des Gewürzhändlers. Sie war höchst freigebig, setzte uns immer wieder neue Speisen vor und bekreuzigte sich vor Staunen über Andys Appetit. Als er den ärgsten Hunger gestillt hatte, hub er an zu erzählen.
»Gott segne unsere gute Wirtin und lohne ihr die Mühe! Ich hatte Oliven und Eselfleisch schon sattbekommen. Zuerst muß ich ein Wort über die Weltpolitik vorausschicken, denn du, Michael, weißt von himmlischen Dingen mehr als von irdischen. Ich aber mußte wohl oder übel einiges davon lernen, denn ein Soldat muß wissen, für wen er seinen Schwertarm verkauft und den Hals riskiert. Deshalb gibt es keinen besseren Ort als ein abendliches Lagerfeuer, um von Kaisern und Königen und ihren Taten zu plaudern, und ich habe aus solchen Gesprächen viel Nützliches gelernt.«
Er leerte ein großes Weinglas, das in seiner stämmigen Pranke ganz verschwand, und bat unsere Wirtin, ihm ein größeres zu holen.
Dann fuhr er fort: »Also, wie du dich entsinnen wirst, trat ich in kaiserliche Dienste und dachte, ich täte klug daran, da unser guter Herr, Kaiser Karl der Fünfte, der größte Herrscher auf Erden ist, Österreich, Neapel, Spanien und die Niederlande besitzt, um nur einige zu nennen, und daneben noch Kaiser von Deutschland, Indien und von Amerika jenseits des Ozeans ist. Und wenn alle Geschichten von der Neuen Welt wahr wären, so wäre er der reichste Mann der Welt. Aber er leidet an immerwährendem Geldmangel. Das beweist, daß die Spanier, welche jene Märchen aus der Neuen Welt mitbringen, die größten Lügner sind, die man je gesehen hat. Ihm kann sich kein anderer Fürst vergleichen, ausgenommen vielleicht Franz von Frankreich – den ich gar wohl kenne, weil ich an seiner Gefangennahme bei Pavia teilnahm – und Heinrich Viii. von England, der durch den Wollhandel reich geworden ist.«
Hier leerte er den zweiten Humpen, wischte sich den Mund und fuhr fort: »Die deutschen Fürsten sind nicht der Rede wert, denn hier schießen Fürsten und Grafen, Bischöfe und Freie Städte allerorten wie die Pilze aus dem Boden. Der Erzherzog Ferdinand, der Bruder des Kaisers, ist der einzige, der unter ihnen hervorragt. Der große Sultan Suleiman, Herr der Türkei, ist ein eigenes Kapitel, und ich will von ihm nur erwähnen, daß böse Zungen von einem Bündnis zwischen ihm und dem französischen König sprechen, das gegen den Kaiser gerichtet sei.«
Das erregte meinen Unwillen, und ich fiel ein: »Als ehemaliger Student der Universität Paris – einer Stadt, die auf der Welt nicht ihresgleichen hat – und Freund Frankreichs möchte ich solche Reden ein für allemal als Lügen und Bosheit brandmarken. Wir sollten es einem edlen, ritterlichen König, der dem Kaiser so tapfer die Stirn bot, dadurch nicht noch schwerer machen; und er bot ihm die Stirn, weil es gewiß nie Gottes Ratschluß war, daß ein Mensch die ganze Welt beherrschen sollte.«
Andy hieb mit einem Wonneschrei die Faust auf den Tisch.
»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Michael – darum stehen die beiden auch wie Hund und Katze zueinander und sind uneins, seitdem sie um die Kaiserkrone stritten. Frankreich ist der reichste und mächtigste Staat Europas und das einzige Hindernis für die Ausbreitung der kaiserlichen Macht. Doch nun muß ich die Lage in Italien erläutern. Das ist ein Land, das keinen Herrn über sich dulden will. Der Kaiser und der König von Frankreich haben nie aufgehört, um das Herzogtum Mailand und die fruchtbare Provinz Lombardei zu ringen, aus der ich eben komme. Venedig, Mailands Nachbar, spielt heute dank seiner Besitzungen die Hauptrolle in Italien, obwohl wir den Papst nicht vergessen dürfen, der als Medici sowohl Rom als auch Florenz beherrscht. Ferner ist da das Königreich Neapel, das dem Kaiser gehört, aber auf Grund eines Erbrechts vom Franzosenkönig beansprucht wird.«
»Dies alles macht mich schwindlig im Kopf«, wandte ich ein. »Erzähl uns, was du
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