Michael, der Finne
ewigen Königreich, darin es weder reich noch arm, weder Fürsten noch Bürger, weder Bauern noch Gesellen, sondern nur Lehensleute Gottes geben solle. Und Gott habe nun seine Wahrheit in drei schlichten Worten geoffenbart, die Müntzer ihnen verkünden wolle, wenn die Zeit reif sei.
Den Bauern zu Frankenhausen war an jenem Abend viel zu denken gegeben worden; als ich jedoch auf Müntzers Geheiß von Lager zu Lager ging, hörte ich sie ihn nur loben und lobpreisen als ein wahrhaftiges Gefäß der Gnade.
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Am folgenden Tag brachten uns weinende Flüchtlinge die Botschaft, Herzog Georg und die Mansfelder Herren seien auf dem Marsch. Die Flüchtigen trösteten sich aber angesichts unserer großen Zahl, die nach ihren Worten die der Herzoglichen weit überstieg, trotz der Reiter, die Kardinal Albrecht dem Herzog zu Hilfe geschickt hatte.
Dieser Albrecht hatte einst zu Unrecht vom Papst zwei Bistümer und das Erzbistum Mainz – mit Fuggerschem Geld – gekauft, obwohl er das kanonische Alter noch nicht erreicht hatte. Zur Deckung der Anleihe hatte er dem Hause Fugger den Ablaßhandel in seinen Ländern eingeräumt – ein Vorgehen, dem Luther entgegentrat, als er seine fünfundneunzig Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg schlug. Die Funken dieser Hammerschläge hatten einen Brand entfacht, der nun einen Großteil Deutschlands verheerte, und deshalb wünschte seine Eminenz ohne Zweifel, die Flammen mit Blut zu löschen. Doch das Erstaunlichste daran war, daß er nun Luther zu seinen Waffengefährten zählte – Luther, den er mehr verabscheute als den Teufel selbst. Die Welt war in der Tat aus den Angeln gehoben, und es war kaum zu glauben, daß erst siebeneinhalb Jahre verflossen waren, seit Luther jene verhängnisvollen Hammerschläge geführt hatte.
Die Bauernführer hatten die Flüchtigen vernommen und exerzierten nun ihre Haufen ein, während die Büchsenschützen eilig Bleikugeln für ihre Waffen gossen. Heiteres, geordnetes Treiben herrschte in Stadt und Lager; es war klar, daß dies kein planloses Ringen würde.
Allein am Nachmittag unterbrach Müntzer diese Vorbereitungen, die er für überflüssig hielt, da er den Herrn auf seiner Seite habe, und ließ die Männer zu einer neuen Predigt erscheinen. Er sprach von der kleinen Schar der Gläubigen Gottes und forderte die anderen auf, ihr beizutreten und die neue Taufe zu empfangen. Viele Bauern traten ehrfurchtsvoll vor. Er hieß sie ihre Kleider ablegen, führte sie zu einem Tümpel am Fuß der Stadtmauer und tauchte sie dort mit eigenen Händen unter das Wasser, obwohl erst Mai und das Wasser noch sehr kalt war. Beim Anblick ihrer vor Kälte zitternden, prustenden Kameraden nahmen viele Taufkandidaten hastig ihre Kleider wieder an sich und versteckten sich hinter den Feldwaibeln. Müntzer aber segnete diejenigen, welche die Taufe empfangen hatten, und bildete aus ihnen eine eigene Fahnengarde, was sie als hohe Ehre ansahen.
Ich fing an, mir über Andys Ausbleiben Sorgen zu machen. Irgendwie war es mir gelungen, in der überfüllten Stadt Quartier für uns beide und Madame Geneviève zu finden. Es war in einer Bäckerei. Wenn auch in unserer Stube tagsüber Brot für das Bauernheer gebacken wurde, so war sie doch nachts geräumig und warm, wenn auch voll Mehlstaub. Ich brauchte Andys Rat in militärischen Dingen, hatte ich doch, abgesehen von der Flucht aus Leipheim, noch nie an einem Feldzug teilgenommen, und diese hatte weder mir noch sonst jemand viel Ruhm eingetragen. Doch war ich mir nun meiner Verantwortung gar wohl bewußt, denn wenn mir Gott vielleicht mehr Verstand und Gelehrsamkeit verliehen hatte als diesen schlichten Hauptleuten, so hatte er mich dadurch verpflichtet, sie für seine heilige Sache voll einzusetzen. Ich versuchte, mir Andys Lehren ins Gedächtnis zu rufen, und erinnerte mich seines Berichtes von den Verheerungen, welche die kaiserlichen Arkebusen bei Pavia unter der französischen Reiterei angerichtet hatten. Daraus schloß ich, daß das Pikenexerzieren weniger wichtig sei als das Überholen aller Handbüchsen, Falkonetten, Feldschlangen und anderer Geschütze, welche die Bauern von eroberten Schlössern mitgeschleppt und im Hof des Rathauses kunterbunt übereinandergeworfen hatten.
Der bürgerliche Hauptmann war über meinen Vorschlag nicht sehr erbaut und bemerkte, Geschütze seien gefährliche und unzuverlässige Waffen, die oft dem Schützen mehr Schaden zufügten als dem Feind. Der andere Feldhauptmann betrachtete mich
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