Michael, der Finne
hatte. Als ich Müntzers unterwürfigem, wortreichem Geständnis lauschte, schwand meine letzte Hoffnung dahin. Ich konnte nicht mehr glauben, daß das Himmelreich auf Erden kommen würde, denn wenn Gott durch Müntzers Mund gesprochen hätte, so hätte er ihm gewiß auf der Folter beigestanden, die freilich für gewöhnliche Sterbliche unerträglich war.
Als Angehöriger des Priesterstandes wurde er enthauptet, Pfeiffer aber wurde gehenkt. Dieser Prahlhans ging dem Tod voll Unverschämtheit entgegen, und noch von den Sprossen der Leiter ergötzte er die Soldaten mit Zoten und lästerlichen Scherzen. Er legte sich selbst die Schlinge um den Hals, der Scharfrichter stieß die Leiter weg, und so tanzte Pfeiffer seinen letzten Tanz. Und das ist alles, was ich von Thomas Müntzer und seinem Regenbogenbanner zu berichten weiß. Mein neues Buch soll von Madame Geneviève, Eimer dem Brauer, Kaiser Karl und vielen lehrreichen und erbaulichen Dingen handeln.
NEUNTES BUCH
DER UNDANKBARE KAISER
1
Als die Fürsten ihre Rechtsprechung beendet und die Bürger weidlich ausgepreßt hatten, zogen sie rasch ab. Einer der Brauer hatte uns gefragt, was wir nun vorhätten. Ich dachte, er wolle uns los sein, und sprach von meinem Hund in Baltringen und einer Truhe zu Memmingen, die ich gut gebrauchen könne, wenn sie noch zu finden sei. Darauf erinnerte mich Andy unnachsichtig an mein Versprechen und meinte, ich müsse ihn und Madame Geneviève nach Frankreich begleiten, wohin er sie längst zu führen versprochen hätte, und dort unseren Sohn kennenlernen.
Eimer räusperte sich etwas verlegen und fragte Madame Geneviève, was sie dazu meine; da sie schwieg, fuhr er fort und erklärte, er habe sie sehr schätzen gelernt und wolle sie nicht verlieren. Obwohl einer der reichsten Bürger Mühlhausens, käme er doch bald durch die hohen Steuern an den Bettelstab, wenn er bleibe. Diesen Morgen nun sei es ihm gelungen, seine Brauerei zu verkaufen, freilich wegen der herrschenden Verhältnisse um einen kümmerlichen Preis, und nun möchte er den Staub des Ortes von den Füßen schütteln. Das sei, meinte er, keine plötzliche Laune, sondern eine Absicht, die in ihm im Laufe vieler Jahre gereift sei, und wir dürften nicht glauben, er handle so, weil er etwa an der Rockfalte einer Frau hänge. Was sein Weib anlange, so habe er die Brauerei geheiratet, nicht die Frau, die ein Drachen sei, und eigene Kinder habe er nicht. Er habe den Handel stets bereut. Nun wollte er nach Nürnberg gehen, wo er einige Wechsel einlösen könne, und er lade uns alle ein, mitzukommen und von dort nach Ungarn, der Schweiz oder Italien zu fliehen.
Andy stand wie vom Donner gerührt und blickte vorwurfsvoll auf Madame Geneviève, die hastig einwarf: »Du wirst stets der Vater meines Sohnes sein, lieber André, und Michael auch! Aber was kann ich tun, wenn dieser wackere Mann, der noch in der Blüte seines Lebens steht, mich ins Herz geschlossen hat?«
»Das ist eine höchst anstößige Sache«, bemerkte ich, »und Ihr werdet es noch bitter bereuen, Meister Eimer – so bitter, daß Ihr lieber tot sein möchtet. Ihr kennt dieses liederliche Frauenzimmer nicht.«
2
Um die Mitte des Monats Juni waren wir in der reichen, mächtigen Stadt Nürnberg angelangt, der schönsten, die ich in Deutschland gesehen hatte. Wir blieben dort mehrere Tage, während Meister Eimer seine Angelegenheiten ordnete, und fanden, daß die Stadt einer Insel in einem Meer der Unruhe glich. Hier wußte man von den gestörten Zeitläuften nur vom Hörensagen; Meister Eimer meinte, das käme daher, weil in der Stadt zu viele mächtige Einflüsse an einem Ort vereint seien und darin zu viele Kaufleute wohnten, als daß irgendwelche Unruhen hätten entstehen können.
Als er den Vertreter des Hauses Fugger aufgesucht und seine Wechsel eingelöst hatte, sagte er zu mir: »Michael, wenn Ihr auf die Landkarte schaut, werdet Ihr bemerken, daß die Orte, wo Fugger eine Niederlassung besitzt, am wenigsten gelitten haben. Und doch verlangen diese unverschämten Agenten bis zu dreißig Prozent Maklergebühr.«
Dennoch rieb er sich die Hände, und um seine feuchten Lippen spielte ein Lächeln, das auf dunkle Geschäfte schließen ließ. Er hatte viele Bekannte unter den Bürgern; einem von ihnen, namens Anton Seidner, stellte er uns vor. Eimer vertraute Seidner seine Absicht an, sich im Ausland niederzulassen und eine Brauerei zu eröffnen.
»Da seid Ihr an den rechten Mann gekommen«, sagte Seidner,
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