Michael, der Finne
»und ich rate Euch sehr, nach Ungarn zu gehen. Scharen deutscher Flüchtlinge sind täglich dahin unterwegs, und die sind alle Biertrinker. Was aber noch mehr ins Gewicht fällt: mein Bruder Martin leitet nun im Auftrag der Krone die Kupferbergwerke in den Karpaten, und wenn ich Euch einen Brief an ihn mitgebe, verkauft er Euch vielleicht das Recht, seine Knappen zu beliefern.«
»Ich erinnere mich Eures Bruders wohl, und die Krone dauert mich, wenn der einmal die Kupferbergwerke in die Hände nimmt. Doch wie kann er dort sein? Fugger besitzt alles Kupfer in der Welt, ausgenommen in Schweden und Spanien.«
Seidner klopfte Eimer lachend auf die Schulter wie einem Vetter vom Lande.
»Ist’s möglich? Habt Ihr denn von den größten Ereignissen unserer Zeit nichts vernommen? Fuggers Monopol ist gebrochen, die ungarische Krone hat die Bergwerke übernommen. Es gab einen Aufstand. Fuggers Kontor zu Buda wurde vom Pöbel überfallen und ausgeraubt, und nun haben die adeligen Grundbesitzer die Gewinnung von Bodenschätzen allen, mit Ausnahme der Krone, untersagt.«
Eimer raufte sich erregt den Bart.
»Dann steht die Welt in der Tat auf dem Kopf! Kein Wunder, daß Fugger dreißig Prozent verlangt – aber es ist doch empörend, denn die Ungarn sind ein rückständiges, unzivilisiertes Volk und kommen ohne die Kenntnisse und Fertigkeiten der Deutschen nie auf einen grünen Zweig.«
»Sie sind launisch und kriegerisch und gute Hirten«, erwiderte Seidner, »aber sie hassen Deutsche und Juden, und Fugger hat ihnen zweifellos dafür allen Grund gegeben. Diesmal ist Jakob gewiß zu weit gegangen; er und seine Teilhaber sollen die Krone um wenigstens eine Million ungarische Gulden geprellt haben.«
Meister Seidner sprach sehr ausführlich über die von diesem verhaßten Haus begangenen Ausschreitungen und die ungeheuren Güter, die es erworben hatte, und schloß: »Seinen größten Streich aber spielte Fugger im vorigen Jahr. Ungeachtet des steigenden Hasses kaufte er einen Titel für Thorza, einen seiner Teilhaber, und damit die Oberaufsicht über die königliche Münzstätte. Der König ist in Geschäftsdingen ein Kind und wirft, wie die meisten Ungarn, mit dem Geld nur so um sich. Um sich noch mehr zu verschaffen, ermächtigte er daher Thorza, den Silbermünzen dreiviertel Teile Kupfer beizumischen, statt wie früher nur die Hälfte.«
Meister Eimer brach in heftige Flüche aus, fuhr mit der Hand in seine Börse und warf eine Handvoll Münzen auf den Tisch, darauf ein schmuckes Wappen und der Kopf König Ludwigs geprägt waren.
»Großer Gott!« rief er. »Nun weiß ich, warum der Kerl mich fragte, ob ich ungarisches Silber annähme, da er kein anderes Kleingeld habe. Wie zum Teufel hätte ich wissen sollen, daß es seinen halben Wert eingebüßt hatte?«
»Ganz recht«, versetzte Seidner. »Aber die Ungarn fluchten noch schlimmer als ihr; sie hatten die Kunst von den Türken gelernt. Nun, gewisse Kaufleute – ich nenne keine Namen – rafften alles alte Münzgeld aus ihren Truhen zusammen, eilten zur Münzstätte und ließen es einschmelzen. Aus jeder alten Münze wurden zwei neue. Dem König hatte die Neuprägung keinen Pfennig eingetragen; gewisse Leute freilich machten einen hundertprozentigen Profit. Damit jedoch noch nicht zufrieden, kaufte der grundbesitzende Adel allen verkäuflichen Besitz in Ungarn auf, Pferde-, Rinder- und Schafherden und vieles andere, wobei sie die alten Preise in neuer Währung erlegten. Als sie aber im Ausland Waren einkaufen wollten, merkten sie, daß die Preise aufs Doppelte gestiegen waren. Darob erhob sich ein schrecklicher Tumult, und Fuggers Agenten kamen beinahe ums Leben.« Ich sann lange über diese denkwürdige Geschichte nach; schließlich bemerkte ich: »Soviel verstehe ich jedenfalls: Jakob wird die üble Behandlung seiner Vertreter und den Verlust seiner Bergwerke nicht lange dulden. Der junge König wird in die Enge getrieben und das Land dem Verderben zusteuern. Daher fühle ich mich nicht versucht, mich dort niederzulassen und eine Brauerei zu eröffnen.«
Meister Seidner aber entgegnete: »Ungarn ist ein reiches, fruchtbares Land mit endlosen Ebenen und Weiden, ungeheuren Pferdeherden und so vielen Schafen, daß niemand sie zählen kann. Es gibt dort auch Weingärten; vor allem aber sind die ungarischen Grundbesitzer keine Geschäftsleute. Sie trinken Wein, hören Musik, tanzen, jagen und reiten – wenn sie nicht gerade gegen die Türken kämpfen –, und ein
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