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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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um die Wagen, so daß ich fürchtete, jeden Augenblick müsse ein Aufruhr losbrechen. Andy aber versicherte mir, das sei hierzulande Sitte. Er riet mir auch, so schnell wie möglich italienisch zu lernen, da es die Handelssprache und in aller Welt am meisten verbreitet sei.
    Wir nahmen Abschied von den Kaufleuten, die nach Mailand wollten, und setzten gemächlich unseren Weg aus kaiserlichem Gebiet in das der mächtigen Republik Venedig fort. Der Juli war zur Hälfte um; es herrschte mörderische Hitze, und auf den Feldern ringsum färbte sich das Getreide goldgelb. Oft schliefen wir tagsüber und wanderten am Morgen und an den Abenden oder die mondhellen Nächte hindurch. Doch Andy versicherte mir, ich wüßte immer noch nichts von der wirklichen Hitze Italiens.
    Ich komme nun zu meinem ’ wohl denkwürdigsten Abenteuer und muß angesichts der Verleumdungen und Verdächtigungen, die es später hervorrief, betonen, daß Andy und ich für unsere Bedürfnisse genug Geld besaßen und wir unsere Waffen nur zur Selbstverteidigung, nicht aber zu Überfall und Räuberei mit uns führten, was uns nie eingefallen wäre. Ich muß dies erklären, denn seit ich meinen gegenwärtigen hohen Rang erlangte, hat man behauptet, ich sei wegen dieses Vorfalls aus den Ländern der Christenheit geflohen; wogegen ich in Wahrheit erst zwei Jahre später abreiste, auch da nur getrieben von den edelsten Beweggründen. Bisher habe ich alles so erzählt, wie es wirklich war, ohne meine Fehler und Irrtümer verbergen zu wollen; ebensowenig sehe ich in diesem Fall einen Grund, zu lügen.
    Andy hatte seinen besonderen Grund, die Stadt Breschia zu meiden; so umgingen wir sie auf einem Saumpfad und gelangten bei sinkender Dämmerung wieder auf die Landstraße. Plötzlich fielen vor uns drei Schüsse, dann hörten wir Schreie und Waffenlärm. Ein reiterloses Pferd donnerte mähneschüttelnd und mit schreckgeweiteten Augen vorbei, so daß mein Hund sich hastig mit eingezogenem Schweif an meine Fersen rettete. Ich meinte zu Andy, die Sache gehe uns nichts an, und wir schlügen uns besser in die Büsche; er aber versetzte, nachdem er den Durchgänger vergeblich aufzuhalten versucht hatte, er denke nicht daran, solange es auf der Landstraße von Pferden wimmle, deren Besitzer sie offenbar nicht mehr brauchten. So schlichen wir mit schußbereiten Feuerwaffen die Straße entlang, Andy vorne, dann ich als Nachhut, und zuletzt der Hund, immer noch mit eingezogenem Schweif.
    Sogleich wurden wir einer Räuberbande ansichtig. Einer von ihnen hielt zwei Pferde, während die übrigen den leichtbewaffneten Reitern, die beide tot waren, die Kleider und die Börsen abnahmen. Andy feuerte seine Hakenbüchse ab, stieß ein furchterregendes Gebrüll aus und stürzte sich, sein breites Schwert schwingend, auf sie. Als sie sich vom ersten Schreck der Überraschung erholt hatten, sahen sie, daß wir nur zwei waren und schickten sich an, uns den Garaus zu machen; ich aber flehte zu Gott, daß mein unzuverlässiges Radschloß mich nicht im Stiche lassen und das Pulver entzünden möge, setzte dem einen den Lauf meiner Waffe auf die Brust und zog ab. Der Schuß ging los, der Mann fiel, Andy erledigte einen zweiten, und die übrigen sprangen auf die gestohlenen Pferde und machten sich mit der Beute aus dem Staube. Wir aber gewannen bei dem kleinen Scharmützel gar nichts. Doch mir hatte sich, wie es zu gehen pflegt, die Erregung auf die Eingeweide geschlagen, so daß ich mich in die Büsche schlagen mußte. Rael war bei mir; er stöberte zwischen den Bäumen herum, fing an zu knurren und ließ dann ein scharfes Bellen hören. Auf meinen Ruf kam er nicht herbei; ich machte mich auf, ihn zu suchen, und fand ihn an der Leiche eines Jünglings. Aus seinen Wunden floß noch Blut, sein Gesicht war noch warm; ich hielt ihn für den Reiter des dritten Pferdes, das an uns vorbeigeprescht war. Gewiß war er, als er verwundet wurde, aus dem Sattel gestürzt und hatte sich vor den Räubern verkrochen.
    Als ich seine Börse öffnete, tat ich einen Freudenschrei: zwanzig venezianische Dukaten und eine Menge Silber funkelten mir entgegen. Ich war noch am Geldzählen, als Andy mich fand; vergeblich hatte er von der Straße nach mir gerufen, und nun packte ihn der Neid angesichts des Goldes. Die kostbaren Kleider des Jünglings lockten mich, doch hielt ich es für das klügste, den Ort unverzüglich zu verlassen. Andy drehte den Leichnam auf den Rücken, in der Hoffnung, noch mehr an ihm zu

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