Michael, der Finne
erbittert an mein Versprechen auf der Straße von Weimar; davon aber kaufte ich mich los, indem ich ihm fünf Gulden aus Santis Börse zahlte. Er wandte ein, ein Versprechen sei ein Versprechen, und ich müsse seinen Weg gehen, da ich schon genug Schlimmes über uns beide gebracht hätte.
Als er aber sah, daß ich von meinem Vorhaben nicht abzubringen war, steckte er das Geld seufzend in den Beutel und sprach: »Wenn ich jene Briefe recht verstanden habe, so haben der Heilige Vater und die anderen italienischen Fürsten anscheinend die Fremdherrschaft satt und fordern Italien für die Italiener. Das nimmt mich nicht wunder, habe ich doch gesehen, wie die Kaiserlichen sich zu Mailand und in der Lombardei aufführten. Aber wer bin ich Unwissender, daß ich mit dir streiten sollte? Ich muß dich begleiten, damit du nicht wieder einmal mit dem Kopf gegen die Wand rennst. Kehren wir also um, und eilen wir nach Mailand.«
Ich starrte ihn entsetzt an, denn Mailand, Pescaras Hauptquartier, war der letzte Ort, den wir aufsuchen sollten. Andy aber meinte, es sei der letzte Ort, an dem sie uns suchen würden.
4
Wir trafen Ende Juli in Mailand ein. Die schwachen kaiserlichen Truppen belagerten immer noch das Schloß, das Sforza, der einzige rechtmäßige Herzog von Mailand, hartnäckig verteidigte. Andy traf viele spanische und deutsche Söldner, die bei der Belagerung von Marseille seine Kameraden gewesen waren, und erkundigte sich zum Schein nach den Aussichten, sich anwerben zu lassen. Er erfuhr aber, daß der Kaiser keine Leute mehr aufnehmen konnte und die schon Angeworbenen sich selbst verköstigen mußten. Die Bevölkerung dieser einst reichen Stadt war auf ein Drittel zusammengeschmolzen, ganze Bezirke waren niedergebrannt worden. Dennoch hatte das Vertrauen auf einen dauernden Frieden den Handel belebt. Ich suchte sogleich Fuggers Agenten auf und schrieb einen Brief an Madame Geneviève, der sie von unseren neuen Plänen unterrichtete.
Ich teilte ihr mit, Andy und ich hätten uns in plötzlicher Zerknirschung über unsere Sünden entschlossen, eine Wallfahrt zum Kloster Santa Maria de Compostela in Spanien zu unternehmen; sie solle daher nicht auf uns warten, sondern nach Lyon Weiterreisen, wo wir sie auf unserem Rückweg zu treffen hofften. Gelinge dies nicht, so würden wir den Spielzeugesel unserem Sohn in Tours bringen und dann nach Venedig zurückkehren, um sie dort zu suchen.
Es war mir klar, daß Madame Geneviève uns für verrückt halten würde, wenn sie den Brief las, doch konnte ich ihr unsere Handlungsweise nicht anders erklären. Ich siegelte den Brief, übergab ihn zusammen mit anderthalb Dukaten dem Verwalter und ersuchte ihn, ihn an Kaspar Rotbart, Via Fondaco dei Tedeschi in Venedig, weiterzuleiten.
Wir hatten bereits mit den Vorbereitungen für unsere Reise nach Genua begonnen, als uns ein glücklicher Zufall zu Hilfe kam. Es kam uns zu Ohren, daß ein gewisser Don Gastaldo, einer von Pescaras Leutnants, an den kaiserlichen Hof nach Spanien reisen sollte und viele heimwehkranke spanische Söldner sich um einen Platz in seinem Gefolge bewarben. Andy erhielt von einem ihm von Pavia her bekannten Offizier ein Empfehlungsschreiben an ihn, und der junge Leutnant, ein frommer Mann, freute sich, als er von unserer beabsichtigten Wallfahrt hörte. Er pries die wundertätige Madonna von Compostela und erlaubte uns gerne, uns seinem Gefolge anzuschließen, wenn wir für die Reise selbst aufkommen und ihn bis an den kaiserlichen Hof begleiten wollten.
So reisten wir mit Don Gastaldo nach Genua, wo er seine übrige Begleitung bis auf zwei spanische Arkebusiere entließ. Es lag auf der Hand, daß er in wichtiger Mission unterwegs war, denn wir gingen an Bord einer großen Galeere, deren Ruder sie vom Wind unabhängig machten. Das Schiff war schwer bestückt, und der Kapitän stellte Don Gastaldo eine schöne Kabine auf dem Achterdeck zur Verfügung. Einer von uns stand bei Tag und Nacht mit brennender Lunte vor seiner Tür auf Posten, und wenn Don Gastaldo sich auf Deck an der frischen Luft erging, folgte ihm ein Bewaffneter auf den Fersen. Damals schienen diese Vorsichtsmaßregeln übertrieben, spätere Ereignisse zeigten aber, daß er allen Grund hatte, darauf zu bestehen.
Die langen Reihen der Ruder hoben und senkten sich gleichmäßig und boten einen herrlichen Anblick; der Wind war günstig, und so legten wir den Weg erstaunlich rasch zurück. Ich hätte gern mit den gefesselten Ruderern gesprochen;
Weitere Kostenlose Bücher