Michael, der Finne
Gefolge ihn draußen erwartete.
Der Sieur de Lannoy geruhte, mich an jenem Abend zu Tisch zu laden, weil er keine anderen Gäste hatte, und das war die größte Ehre, die mir je widerfahren war. Er hatte zweifellos aus meinem Äußeren und meinem Gehaben geschlossen, ich sei edler Abkunft, obwohl ich es aus dem oder jenem Grunde verheimlichen wollte, denn es gab damals viele junge Edelleute, besonders in Deutschland, die, verarmt oder verfolgt, ihr Glück in fremden Ländern suchten.
Er fragte nach Neuigkeiten aus der Fremde; ich wußte ihm freilich wenig zu berichten, außer daß Luther in jenem Sommer eine entlaufene Nonne gefreit hatte; dies hatte ich von Fuggers Agenten zu Mailand erfahren. Darob bekreuzigte sich mein Gastgeber fromm und meinte, von ihm sei nichts Besseres zu erwarten gewesen; das setzte seiner Ketzerei die Krone auf. Als wir eine hübsche Menge Wein genossen hatten, wurde er neugierig und erkundigte sich nach meiner Abstammung, denn, so geruhte er zu bemerken, meine Bildung, meine feinen Züge und sauberen Hände bewiesen, daß ich nicht namenloser Leute Kind sein konnte. Ich erzählte ihm von meinem Heimatland, soviel er davon verstehen konnte, und fügte hinzu, ich sei des unglücklichen Königs Christian II. Berater in finnischen Fragen gewesen und hätte, als er seine Krone verlor, zugleich mein Amt und mein Vermögen verloren. Was meine Geburt betreffe, so sei ich ein Bastard, erzählte ich ihm selbstgefällig, und stieg dadurch in seiner Achtung. Er erwiderte, der Kaiser habe eine uneheliche Tochter namens Margarete, die Seine Majestät zärtlich liebe. Sie sollte einen Sohn des Herzogs von Ferrara heiraten. Dieser entstammte des Herzogs Ehe mit Lukrezia Borgia, die selbst eine natürliche Tochter des Papstes war. Der Herzog von Ferrara habe die beste Artillerie der Welt und einen Haufen Geld dazu und würde ein wertvoller Verbündeter für den Kaiser sein, wenn er käme, die Verwirrungen in Italien zu schlichten.
De Lannoy erwähnte, daß Papst Clemens VII. selbst ein unehelicher Sohn des Medici sei, den die freiheitliebenden Florentiner in der Kirche ermordet hätten. Seine Mutter sei ein armes Bauernmädchen aus der Umgebung gewesen, und den Medicis sei es sehr schwer gefallen, die Zeugen für eine heimliche Trauung aufzutreiben.
»Ich möchte Euch nicht um die Welt verletzen«, bemerkte mein Gastgeber zartfühlend, »aber wie schlimm ist es doch, wie schmerzlich beweist es den Niedergang der Kirche, daß auf dem päpstlichen Thron ein Bastard sitzt – noch dazu einer, der unverschämt genug ist, einen Bart zu tragen! Es würde mich nicht überraschen, wenn dieser Papst den Ast absägte, auf dem er sitzt, indem er sich gegen den Kaiser verschwört, verdankt er doch die päpstliche Tiara allein der kaiserlichen Gunst.«
5
Bevor der Sieur de Lannoy sich der Jagdgesellschaft anschloß, traf er in seinem Hause die nötigen Vorbereitungen, damit des Kaisers Besuch rein zufällig scheine. Er entließ seine Diener für diesen Tag und behielt nur die nötigsten Wachen auf Posten. Dann stellte er in seiner Studierstube eine Weinkaraffe in einen Tropfenkühler und befahl Andy und mir, vom Fenster Ausschau zu halten und bereit zu sein, Seiner Kaiserlichen Majestät sogleich nach seiner Ankunft aufzuwarten. Gegen Abend sahen wir eine glänzende Gesellschaft die schmale Straße entlangreiten, und die Leute stürzten an die Fenster und strömten auf die Straße, den Kaiser vorbeireiten zu sehen. Er saß schlicht auf einem edlen grauen Maultier und trug eine flache Mütze. Als er sich dem Hause des Vizekönigs näherte, sahen wir, wie er über Durst klagte und, unterstützt von de Lannoy, absaß. Er bedeutete dem Gefolge, zu warten, und trat ein, gefolgt von einem riesigen, lehmfarbenen Jagdhund.
Und nun geschah Unglück über Unglück. Unbemerkt von uns hatte ein altes Weib die Verlassenheit des Hauses dazu benützt, die Vorhalle zu scheuern. Der Kaiser glitt auf dem nassen Boden aus und wäre gestürzt, hätte nicht de Lannoy ihn am Arm ergriffen. Die Alte war durch den Anblick Seiner Majestät so vom Donner gerührt, daß sie ihm bei dem Versuch, zu knicksen, das Spülwasser aus ihrem Eimer über die Füße goß. De Lannoy versetzte ihr in seiner Wut einen heftigen Tritt, worauf sie kreischend die Heilige Jungfrau anrief, ihm den triefenden Scheuerlappen um die Ohren schlug und ihm versicherte, ihre Ahnen hätten schon gegen die Mauren gekämpft, da man die seinen noch als Pferdediebe
Weitere Kostenlose Bücher