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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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hängte.
    Ich hatte die Tür zur Studierstube weit geöffnet, und während dies Schauspiel noch im Gange war, sprang der fürchterliche Hund an mir vorbei und stürzte sich auf Rael. Es war eine jener blutdürstigen, teuflisch schlauen Bestien, mit denen die Spanier in der Neuen Welt auf die Indianer Jagd machten und die sie so hoch in Ehren hielten, daß sie jedem den Beuteanteil eines Menschen zukommen ließen. Im Kampf um sein Leben packte mein wackerer Hund dies Ungeheuer am Ohr und ließ nicht mehr los, obwohl das Kopfschütteln des großen Tieres ihn mehrmals in die Luft warf. Unbedacht versetzte ich des Kaisers Hund einen Tritt, und er biß mich ins Bein, so daß ich so laut heulte wie Rael. Daraus wird man ersehen, daß meine Audienz beim Kaiser keineswegs planmäßig verlief und mir mit Recht seinen Unwillen zuzog.
    Der Kaiser rief laut einen Befehl, zog seinen Hund an sich und begann zart und ergrimmt dessen zerbissenes Ohr zu untersuchen. Ich nahm Rael in die Arme, der aus dieser geschützten Zufluchtsstätte brummend und knurrend seiner Verachtung aller großen spanischen Jagdhunde beredten Ausdruck lieh; ich setzte ihn in einem anstoßenden Gemach ab, wo er seine Wunden lecken konnte. Dann kehrte ich hinkend zu Seiner Majestät zurück. Ich muß gestehen, daß er recht hatte, in ein fremdes Haus eine Leibwache mitzubringen, und dies unheimlich kluge Tier war besser als jeder menschliche Beschützer; denn nun, da seine Wut sich gelegt hatte, wanderte es in dem Gemach umher und schnupperte in jede Ecke, um sich zu vergewissern, daß keine Lauscher hinter den Vorhängen oder in den großen Schränken verborgen standen.
    Der Kaiser ließ sich am Schreibtisch nieder, während de Lannoy, verzweifelt über das Vorgefallene, in einem goldenen Becher Wein kredenzte. Mir blieb keine Zeit, auf die Knie zu fallen, denn ich war kaum zurück, als Seine Kaiserliche Majestät in sehr ungnädigen Worten die Papiere zu sehen verlangte, die ihm de Lannoy darauf ehrerbietig überreichte.
    Er las ruhig und aufmerksam, ohne die geringste Erregung zu verraten. Nachdem er das erste zu Ende gelesen hatte, nippte er genießerisch von dem Wein und befahl de Lannoy, seine Gäste unter dem Vorwand, er fühle sich nicht ganz wohl und wolle sie nicht aufhalten, zu entlassen. Dann, sollte de Lannoy vor der Tür bleiben und Eindringlinge fernhalten. Ich merkte, daß der Vizekönig über diesen Befehl gar nicht erfreut war; allein er konnte nur gehorchen, und bald hörte ich die Hufschläge der scheidenden Jagdgesellschaft. Doch hatte der Kaiser nichts zu fürchten, denn der große Hund saß mit hängender Zunge neben seinem Stuhl und schien nur darauf zu warten, mich ins andere Bein zu beißen.
    Der Kaiser las die Briefe sehr gründlich, und ich hatte Muße, ihn zu beobachten. Zur Zeit unserer Begegnung war er erst fünfundzwanzig – zwei oder drei Jahre älter als ich selbst. Er war ungefähr so groß wie ich, ein mittelgroßer Mann. Seine Kleidung war von gewählter Schlichtheit; als einzigen Schmuck trug er den Orden vom Goldenen Vließ an einer Kette um den Hals. Seine Gesichtsfarbe war matt, seine kalten grauen Augen blickten verschwiegen und wachsam, denn er verbarg sie unter den schweren Lidern, als wolle er seine Gedanken verbergen. Das Kinn mit dem spärlichen Bartwuchs sprang eigensinnig vor. Die Ohren lagen flach am Kopf, die Stirn war niedrig. Sein Körperbau war untadelig. Er hielt sich gut und hatte ungewöhnlich schöne Beine; er glich allen Jünglingen von edler Abkunft, die sich von Kindesbeinen an im Waffengebrauch geübt haben. Seine Haltung bewies Ernst, Festigkeit und einen klaren Kopf – bewies auch, daß er allzufrüh gezwungen worden war, eine erdrückende Last auf sich zu nehmen, die er nicht scheute. Und obwohl Kaiser Karl etwas Hartes und Rücksichtsloses an sich hatte, empfand ich doch, daß er keinen seiner Untertanen absichtlich Unrecht tun würde; je länger ich ihn betrachtete, um so mehr lernte ich ihn achten.
    Als er alle Briefe gelesen hatte, legte er seine weiße, schön geformte Hand darauf, sah mich zum erstenmal mit seinem forschenden Blick, darin ich eine Spur Widerwillen wahrnahm, an und sprach: »Meinst du, das alles sei mir neu?«
    Ich stand wie vom Donner gerührt und konnte nur stammeln, ich hätte mein Leben gewagt und große Strapazen ausgestanden, um ihm zu dienen, indem ich diesen abscheulichen Verrat so rasch wie möglich aufklärte.
    Er kräuselte die Lippe und erwiderte: »Du warst

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