Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
zitternd, daß Seine Majestät unsere Geschichte nicht glaubte und uns für gemeine Wegelagerer hielt, die den französischen Kurier ermordet und beraubt hatten. Er hatte gewiß zu viele fragwürdige Taten in günstigem Lichte dargestellt gesehen, um von irgendeinem Menschen noch Gutes zu halten. Ich fiel vor ihm auf die Knie und schwor bei Christi Blut, ich hätte weder Mord noch Überfall auf dem Gewissen und könne, obzwar ich auf des Kaisers Gunst vertraue, doch keinen handgreiflichen Gunstbeweis annehmen, solange er mich für schuldig halte. Er aber hieß mich mit ungeduldiger Gebärde schweigen, als wollte er sagen, er habe genug heilige Eide in seinem Leben gehört, um zu wissen, was sie wert seien. Sein Hund erhob und streckte sich und gähnte mir ins Gesicht – denn da ich kniete, konnten wir einander in gleicher Höhe in die Augen sehen. Auch der Kaiser erhob sich und versprach, ich würde zu gegebener Zeit von ihm hören. Mir blieb nur übrig, ihm mit einer tiefen Verbeugung die Tür zu öffnen. De Lannoy schloß eilig die Außentür auf, und während Seine Majestät stehen blieb, um die Handschuhe anzuziehen, nahm der Hund die Gelegenheit wahr und hob das Bein gegen den Türrahmen. Zum ersten- und einzigenmal sah ich ein leises, spöttisches Lächeln über des Kaisers Antlitz huschen.
    De Lannoy hielt ihm den Steigbügel und wollte ihn begleiten. Seine Majestät aber winkte ihm gnädig zu, daß er entlassen sei, und ritt, nur von seinen Wachen und dem Jagdhund begleitet, davon. De Lannoy knallte die Tür ins Schloß, und ich habe nie einen Menschen so fluchen hören wie damals ihn. Auch war er gar nicht entzückt, als er erfuhr, daß unsere Neuigkeiten nicht mehr neu und Pescara uns zuvorgekommen war, indem er seine Genossen verriet. Ja, er wurde so wütend, daß er gegen mich losging, mir eine Ohrfeige und dem Hund einen Tritt versetzte. Glücklicherweise kam mir der Barbier zu Hilfe, bevor ich noch ernstlich Verletzungen erlitt, beruhigte seinen Herrn mit gewählten Worten und führte uns aus seinen Augen; er bat uns, de Lannoys Heftigkeit nicht übelzunehmen. Solche leidenschaftlichen Ausbrüche seien bei vornehmen Herren die Regel; sie brauchten sich nicht so zu beherrschen wie arme Leute. Wenn er sich beruhigt hätte, würden wir ihn uns so wohlgeneigt finden wie zuvor, und wir täten gut daran, ihm nach Toledo zu folgen, denn wir hätten keinen anderen Schutzherrn, und unser Geld gehe zur Neige.
    Als einziger Trost blieb uns der Wein. Empört erzählte ich dem Barbier alles, was zwischen mir und dem Kaiser vorgefallen war, während der kleine Mann seine Kunst an mir übte und mein Bein wusch, behandelte und verband. Beim Trinken aber regten sich meine Lebensgeister wieder, und ich tröstete mich mit des Kaisers Versprechen, meiner zu gedenken.
    Andy freilich hielt dies für eine eitle Hoffnung. Gelassen schlürfte er seinen Wein und meinte: »Ich glaube, unsere Pechsträhne ist noch nicht zu Ende, Bruder Michael. Frau Fortuna spottete unser, indem sie uns in Don Gastaldos Gefolge hierhersandte, und sie hat wohl noch viele ähnliche Streiche mit uns vor.«
    Ich sagte ihm, der Kaiser hätte nichts dagegen, daß wir die Nachricht von Pescaras Verrat an die Franzosen verkauften – denn Verrat war es nun einmal, obgleich er seine Mitverschworenen und nicht seinen Herrscher verraten hatte. Ich fragte den wackeren Barbier, wie wir dabei am besten zu Werke gehen sollten.
    Er rieb sich nachdenklich die Nase und antwortete: »Ich zweifle nicht, daß ich die Sache in die Wege leiten könnte, denn durch meine Barbierkollegen und jenes andere Geschäft, das ich betreibe, kenne ich zwei der französischen Abgesandten. Aber wir wollen nichts überstürzen. Will der Kaiser die Franzosen mit dieser Nachricht erschrecken, so kann er nichts dagegen haben, daß wir sie auch dem päpstlichen Legaten, den Abgesandten der Signoria von Venedig, aus Florenz, Mantua, Ferrara und anderen Städten verkaufen. Der zu erzielende Preis wird freilich vom Verkäufer abhängen. Mein Herr, ein Mann von Rang und Stand, könnte hundertmal soviel fordern wie Ihr. Wir müssen möglichst viele Abnehmer finden, bevor die Angelegenheit allgemein bekannt wird.«
    Der gute Barbier wollte sich mit zehn Prozent unserer Einnahmen begnügen; mit seiner Hilfe setzten wir eine Liste aller fremden Abgesandten in Toledo auf, an die de Lannoy herantreten sollte. Nachdem dieser vornehme Herr in unsere Pläne eingeweiht worden war, nahm er uns wieder

Weitere Kostenlose Bücher