Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
behandeln, als wäre eine regelrechte Schlacht geliefert worden. Sie waren handgemein geworden über die Frage, ob die Deutschen oder die Spanier mehr Sold ausstehen hatten und wer von ihnen zuerst entlohnt werden solle, wenn die kaiserliche Kasse eintraf. Sie stritten vergeblich, denn es kam kein Geld, obwohl unser Befehlshaber beim Herzog von Ferrara eine Anleihe aufzunehmen verstand, denn der wollte diese Marodebrüder von Bundesgenossen nur zu gerne wieder los sein. Als wir aber nach weiteren vierzehn Tagen Ferrara verlassen hatten und uns Bologna näherten, machten die Männer, von Hunger und Regen erschöpft, aufs neue halt und forderten ihren restlichen Sold.
    Da ich den Spaniern, in deren Gesellschaft ich Mailand verlassen hatte, in keiner Weise verpflichtet war und ihre Sprache nur unvollkommen beherrschte, hatte ich mich Frundsbergs Deutschen angeschlossen. Und da erlebte ich eine der größten Überraschungen meines Lebens.
    Der Herzog von Bourbon war töricht genug, aus den von Ferrara entlehnten Mitteln nur die Deutschen zu entlohnen. Als ich eben meinen Esel an einen Ölbaum band, um einige dieser Männer gegen den französischen Ausschlag zu behandeln, überfiel uns ein Haufen zerlumpter, barfüßiger Spanier, die mich ausrauben wollten. Meine Patienten waren nicht in der Verfassung, sich zu verteidigen, und hatten überdies zur Untersuchung die Hosen herabgelassen, so daß sie im ersten Schreck der Überraschung nicht einmal laufen konnten. Ich wäre verloren gewesen, hätten nicht ihre Hilfeschreie einen stämmigen Burschen herbeigerufen, der uns zu Hilfe eilte, sein Schwert schwang und ein fürchterliches Geheul ausstieß. Die Spanier gaben Fersengeld, und als ich mich umwandte, meinem Retter zu danken, erkannte ich Andy. Ich war seines Todes so sicher gewesen, daß ich ihn zuerst für einen Geist hielt, den meine flehentlichen Gebete aus dem Reich des Todes heraufbeschworen hatten.
    Als aber Andy sah, wer ich war, stieß er sein Schwert in die Scheide, drückte mir mit seinen beiden Pranken die Hand und meinte: »Bei meiner Seele, du bist es, Michael! Was in Gottes Namen treibst du inmitten dieser Wölfe, wo du doch in Basel deinen Geist vervollkommnen solltest?«
    Er setzte sich, entnahm seinem Ränzel einen fettigen Knochen, brach ihn entzwei und zermalmte die Stücke zwischen den Zähnen, damit Rael das Mark lecken konnte. Durch die Risse in seinen Schuhen lugten die knorrigen Zehen, und von seinen Ärmeln war nicht mehr viel übrig geblieben; sein Harnisch aber glänzte fleckenlos, und sein Schwert war in gutem Zustand. Ich fragte ihn, wie er aus der Schlacht bei Mohács lebend davongekommen und zu diesem gottverlassenen Heer gestoßen sei, das ganz Italien schon verwünschte.
    Er erwiderte in seiner üblichen, offenen Art: »Ich kam bei Mohács davon, weil ich zu spät zur Schlacht kam. Nie habe ich so hochfahrende, heißblütige Edelleute wie diese Ungarn gesehen; der Wunsch, an ihrer Seite zu kämpfen, verging mir ganz und gar. Sie verachteten die Artillerie und setzten ganz auf gute Rüstung und schnelle Pferde. Bei Mohács ritten sie stracks auf die Hunderte von Geschützen los, die der Sultan hinter seiner Vorhut versteckt hielt. Glaubwürdige Zeugen berichten, daß die Türken keinen Schuß abfeuerten, bis die ungarische Reiterei wenige Schritte vor den Rohren angelangt war, und die erste Salve entschied die Schlacht. In knapp zwei Stunden hatte des Sultans Heer die Christen niedergemäht; das war das Ende Ungarns. Nur wenige entkamen, die davon berichten können.«
    Ich bat ihn, mir Näheres zu erzählen. Er aber schien nicht gewillt, sich über seine Erfahrungen in Ungarn auszulassen.
    Er sagte nur: »Wie ich höre, flohen ganze Dörfer vor dem drückenden Joch ihrer Herrschaften und suchten in den Ländern des Sultans Zuflucht, weil der Sultan die Christen um ihres Glaubens willen nicht verfolgt und ihnen gestattet, ihre Religion frei auszuüben. Zugleich aber verbietet er Erpressung und Unrecht. Das war ein Grund, warum ich nicht für den König kämpfen wollte. Ich hörte auch, daß mindestens zwei der angesehensten Männer Ungarns schon um die Wette um des Sultans Gunst buhlten, jeder in der Hoffnung, als sein Vasall dereinst die ungarische Krone tragen zu können.«
    Andy wollte kein Wort mehr von Ungarn erzählen und nahm mich auf der Stelle zu seinem 1 Lager mit. Zwanzig Pikeniere hatten ihn zum Anführer gewählt; unter dem zerfetzten Zelt, das sie vor dem Frühlingsregen

Weitere Kostenlose Bücher