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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Schlachten gegen die Geister führte, waren denn auch dazu angetan, der Verleumdung immer neuen Stoff zu liefern. In maßloser Verachtung seiner Widersacher und ihrer abergläubischen Unwissenheit verschmähte er es, die Gerüchte zu widerlegen.
    Es liegt mir fern, seinen Genius und seine unglaubliche Heilkraft zu schmälern; doch darf man nicht vergessen, daß es ihm, als die Zahl seiner Feinde wuchs, Vergnügen bereitete, sie zu schrecken. Wenn er in den Schenken Kredit brauchte, brüstete er sich allzu gerne mit seinen Talenten, die in den Augen einfältiger Leute teuflischen Ursprunges waren.
    Sein unbeherrschtes Benehmen und seine giftige Zunge schadeten ihm zweifellos, wo es um seine Bestellung ging, und schließlich rieten ihm Erasmus und Frobenius, nach Straßburg zurückzukehren und dort den Beschluß des Stadtrates abzuwarten, da seine Anwesenheit in Basel ihre Bemühungen für ihn weitgehend durchkreuzte.
    Doktor Paracelsus selbst war ohne Zweifel überzeugt, alles getan zu haben, was in seiner Macht stand, um seine Gegner zu versöhnen. Er hatte sein Äußeres herausgeputzt, war im Reden leiser und im Trinken mäßiger geworden, weil er im innersten Herzen nach der neuen Stellung verlangte, da sie ihm die Möglichkeit bot, der gelehrten medizinischen Fakultät eins am Zeug zu flicken. Er war aber leicht beleidigt und krankhaft auf seinen Ruf bedacht, und schließlich wurde er so überdrüssig, daß ich ihn zum erstenmal weinen sah.
    »Sie hassen mich alle«, sagte er, »weil ich allein in der Welt stehe und ein Deutscher bin und neue Lehren verkünde. Doch mein Wissen kommt von Gott. Alles Vollkommene kommt von Gott, alles Unvollkommene vom Teufel. Ich will nicht mehr, als im großen Buch der Natur lesen, die Leute von ihren Krankheiten heilen und das Gewebe aus Lügen und Irrtümern zerreißen, das die Alten spannen und die Gelehrten verehren.«
    Er wäre in jener Nacht fortgeritten, obwohl schon November war und die kalten, dunklen Straßen von Buschkleppern wimmelten, die nichts sehnlicher wünschten, als einsamen Reisenden den Hals abzuschneiden. Ich überredete ihn, seine Reise auf den nächsten Morgen zu verschieben, da ich Zeit zur Überlegung brauchte, ob ich ihn begleiten, in Basel bleiben oder nach Süden ziehen sollte. Das letzte hatte ich schon lange vor.
    Schon seit dem Herbst hatte ich Andy als tot betrauert, denn aus Ungarn war die Nachricht von einem ungeheuren Sieg der Türken unter dem persönlichen Befehl des Sultans auf den Ebenen bei Mohács zu uns gedrungen. Allein dies schreckliche Mahnmal aus Blut und Feuer am östlichen Himmel vermochte die Christenheit nicht gegen den gemeinsamen Feind zu einigen. Der Krieg in Italien ging weiter, und es schien, als könne der Kaiser trotz allem noch als Sieger daraus hervorgehen.
    Die heilige Liga kam allein dem Sultan zugute, der ungestört Ungarn erobern konnte, während die Christenheit sich den Dolch in die eigene Brust stieß. Die Ereignisse in Italien zeigten, daß Venedig nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht war und versuchte, seine Grenzen gegen die Lombardei zu sichern, die durch die Anwesenheit kaiserlicher Truppen im benachbarten Herzogtum Mailand bedroht waren. Darüber hinaus fesselte die Venezianer nichts an die Liga. Ja, ein unparteiischer Beobachter mochte in ihrem Vorgehen ein gewisses Doppelspiel erkennen; den Wunsch, die Macht des Kaisers nicht ungebührlich zu schwächen, war doch der Kaiser der einzige ebenbürtige Gegner der Türken, die Venedigs Besitzungen und Handel am meisten bedrohten.
    Solche Nachrichten klangen mir wie Trompetenstöße zum Angriff in den Ohren. In Deutschland scharten sich zahllose Söldnerhaufen um das Fähnlein des berühmten Frundsberg und begnügten sich in ihrem Eifer, gegen Rom und die Macht des Papstes zu ziehen, mit Angeld und unbestimmten Versprechungen auf Sold. Es lag auf der Hand, daß der Kaiser alle Kraft aufbot, den Papst zu vernichten, und sich nicht scheute, auch Ketzer zu Bundesgenossen zu machen, denn ohne Wissen und Willen Seiner Majestät hätte Frundsberg es kaum gewagt, seinen Truppen so großzügige Versprechungen zu machen. Konnte es nicht Gottes Wille sein, daß ich meinen Eid erfüllte und den Papst von seinem Thron stürzen sah? Daher zögerte ich nicht, als die Rückkehr meines Herrn nach Straßburg mich vor die Wahl stellte; ich beschloß, mich mit einigen unentbehrlichen Arzneien zu versehen, in Mailand als Feldscher zu den Kaiserlichen zu stoßen und mit ihnen gegen

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