Michael, der Finne
Vorlesungen zu halten. Ich will meinen und Herrn Frobenius’ ganzen Einfluß aufbieten, ihm diese einträgliche Stelle zu verschaffen. Gelingt es, so will ich schwören, daß kein Patient je seinen Arzt fürstlicher belohnte.«
Er blickte mich mit seinem dünnen Greisenlächeln an und setzte hinzu: »Wir kennen die Schwächen unseres wackeren Doktors nur zu gut; doch ich zweifle nicht, daß er, wenn er erst den medizinischen Lehrstuhl an der Universität innehat, sich gefälliger tragen und benehmen, seinen Wortschatz säubern und sich nach dem Vorbild gesetzter Leute richten wird. Wir können nicht zulassen, daß ein so großer Mann wegen einiger geringer Fehler der Menschheit verlorengehe. Wenn dies Angebot dem guten Doktor nicht zusagt, so will ich die menschliche Natur nicht kennen. Jedenfalls aber wird er, wie ich hoffen will, von diesen widerwärtigen Mahnungen absehen; schließlich gereicht es ihm doch zur Ehre, den großen Erasmus zu seinem Patienten zu zählen.«
Ich überbrachte meinem Herrn diese Botschaft nach den Drei Königen; weit entfernt, darüber erbost zu sein, wie ich befürchtet hatte, war Paracelsus entzückt über die Aussicht, seinem Wanderleben durch ein wohlbestalltes Amt ein Ende setzen und seine neuen Prinzipien von einem Lehrstuhl der Universität öffentlich erläutern zu können.
»Meinet aber nicht, ich würde lateinisch lesen«, sagte er. »Ich will eine Sprache reden, die alle ehrlichen Leute verstehen. Jeder, der lieber im großen Buch der Natur lesen als über vergilbten Pergamenten verwelken will, kann mein Schüler sein, und hätte er auch keine der an der Universität vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt. Unter anderem will ich die Kunst lehren, den französischen Ausschlag billig und unfehlbar mit rotem Quecksilber zu heilen – und ich muß heute schon lachen, wenn ich an die Empörung denke, die das bei den Apotheken hervorrufen wird, und wie Fugger sich das Haar raufen wird, wenn alle Guajakrinde, die er aus Amerika bestellt hat, auf den Düngerhaufen fliegt. So wie Luther einst die päpstliche Bannbulle verbrannte, so werde ich die Werke des Avicenna und Galenus ins Feuer werfen – ich werd’s wohl am nächsten Johannistag tun, wenn die Sonnwendfeuer entzündet werden und die Studenten sich versammeln, bevor sie auf Sommerferien gehen. So wird die Nachricht davon sich rasch in ganz Deutschland verbreiten. Ja fürwahr, das will ich wirklich tun, und wenn man mich dafür den Luther der Medizin nennen wollte, denn ich will gleich Luther zu meinen Taten stehen.«
Es kostete mich große Mühe, ihm zu erklären, wie sehr es ihm schaden würde, wenn er in der Muttersprache läse. Die Grundbedingung aller Gelehrsamkeit war die vollkommene Beherrschung des Lateinischen, wodurch die Gelehrten aller Länder einander ungeachtet ihrer Muttersprache und Herkunft verstehen konnten. Seine Kollegen an der Universität würden diese Neuerung als Waffe gegen ihn verwenden und behaupten, seine Lateinkenntnisse reichten nicht aus, Vorlesungen zu halten. Ich wußte auch, sie würden sein Diplom sehen wollen, und über diesen Gegenstand hüllte sich Doktor Paracelsus in seltsames Schweigen, obgleich er sich rühmte, an vielen Universitäten verschiedener Länder studiert zu haben, bis er der unvollkommenen und verderblichen Lehren, die sie zu bieten hatten, müde geworden sei. Seine Lateinkenntnisse waren in der Tat dürftig, wie sich herausstellte, wenn er versuchte, mir des Abends beim Glas Wein seine Gedanken zu diktieren. Gewöhnlich verfiel er ins Deutsche und überließ es mir, seine Erwägungen zu übersetzen, so gut ich konnte.
Meine Befürchtungen waren nur allzusehr gerechtfertigt. Als Erasmus und Frobenius dem Stadtrat die Ernennung des Doktors Paracelsus vorschlugen, erhoben sich Gelehrte, Ärzte und Apotheker wie ein Mann gegen seine Kandidatur. Als er aufgefordert wurde, sein Diplom vorzuweisen, erwiderte Doktor Paracelsus hochmütig, er habe es längst seinem einzig würdigen Gebrauch zugeführt. Inzwischen ließen die Apotheker Augsburg wissen, daß der Doktor die Guajakrinde als Heilmittel gegen den französischen Ausschlag verwerfe, und riefen so Fugger als gefährlichen Feind auf den Plan. Über die böswilligen Geschichten, die man in Umlauf setzte, will ich mich nicht verbreiten; unter anderem hieß es, er habe sowohl sein Wissen als auch seine Zaubermittel vom Bösen empfangen; sein seltsames Gehaben, seine Schmähreden und die Sprache, die er im Rausch in seinen
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