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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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kann ich Euch vertrauen?«
    Ich versicherte ihr, das könne sie voll und ganz, denn ich achte und bewundere sie von ganzem Herzen und dächte an sie wie an die heilige Genoveva selbst.
    Darauf seufzte sie und sprach: »Ihr mögt wohl anders denken, wenn ich mich Euch geoffenbart habe. Aber ist es nicht unrecht, daß eine junge, schöne Frau wie ich durch das Band der Ehe an einen häßlichen, mißgelaunten Greis wie Meister Hieronymus gekettet ist?«
    Ich entgegnete, darüber hätte ich mich selbst schon gewundert und angenommen, daß vielleicht Eltern und Verwandte sie zu dieser unnatürlichen Verbindung gezwungen hätten.
    Darüber war sie jedoch beleidigt und versetzte beinahe entrüstet: »Niemand hat mich gezwungen. Ich tat selbst mein Bestes, ihn zur Ehe zu verlocken, da er unermeßlich reich und freigebig genug ist, mir viele wertvolle Edelsteine und schöne Kleider zu schenken. Aber man hatte mir eingeredet, kränkliche Greise in seinem Alter lebten nie länger als drei Jahre, wenn eine junge, heißblütige Frau ihnen nach Kräften zu Gefallen sei und alle ihre Wünsche erfülle. Ich kann Euch versichern, ich habe getan, was ich konnte, aber zu meinem Kummer ist er dadurch nur jünger und lebendiger geworden und ist heute gesünder als damals, als ich ihn heiratete, obwohl ich ihn viele Nächte hindurch wachgehalten habe. Ich kann nur annehmen, daß er irgendeine heimliche Reliquie besitzt, die ihm diese Stärke verleiht. Heute ist mir schon eine bloße Berührung verhaßt. Und was noch schlimmer ist, vor einigen Monaten stieß mir ein Unglück zu, dessen ich mich nicht versah, als ich die Ehe einging, und das quält mich Tag und Nacht. Es ist, als krabbelten mir unaufhörlich helle Scharen von Ameisen über den ganzen Körper.«
    »Guter Gott, Madame!« rief ich zutiefst erschüttert aus. »Ich habe gehört, daß die französischen Blattern – oder die spanischen Blattern, wie die Franzosen sie lieber nennen – oft mit solchen Symptomen einsetzen.«
    Sie bedeutete mir zornig, den Mund zu halten und keinen Unsinn zu reden.
    »Ich bin verliebt, Michael«, sagte sie und schaute mir tief in die Augen. »Ich bin die Sklavin meiner Leidenschaft für einen edlen Ritter aus des Königs Gefolge geworden. Ich wäre ihm nie begegnet, hätte er nicht von meinem Gemahl Geld geborgt – denn seine Finanzen sind, wie bei den meisten tapferen Rittern, hoffnungslos zerrüttet. Ich kam nicht von meiner kranken Amme, als ich Euch auf der Straße begegnete. Ich hatte meinen Geliebten besucht und dabei meinen Ruf ernstlich gefährdet.«
    Es schmerzte mich in der Seele, und meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich mir Madame Geneviève in den Armen des Ritters vorstellte, obwohl ich doch auf Meister Hieronymus nicht im geringsten eifersüchtig sein konnte.
    Ich machte ihr Vorwürfe und sprach: »Madame, seht Ihr nicht, welch lästerliche Sünde das ist? Indem Ihr Euren Gatten hintergeht, stürzt Ihr Eure Seele ins Verderben!«
    Sie antwortete, das müsse sie selbst am besten wissen, und ihr Seelenheil gehe nur sie und ihren Beichtiger an.
    »Das hat mit meinem Seelenheil nichts zu tun. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was für ein Liebhaber er ist. Er hat mich in seinen Armen in den siebenten Himmel versetzt, und ich schmelze am ganzen Körper hin wie Wachs, wenn ich ihn nur erblicke. Aber ach, er liebt mich nicht …«
    Hier brach sie in Tränen aus, legte ihr Haupt auf meine Knie und schluchzte, wobei sie mir die Strümpfe benetzte.
    »Wie ist es möglich, daß er Euch nicht liebt?« fragte ich, im Innersten aufgewühlt. »Wer muß Euch nicht lieben, wenn er Euch einmal gesehen hat?«
    »Er verführte mich nur, um zu Geld zu kommen. Er dachte, ich könne meinen Gatten überreden, ihm mehr Geld zu leihen. Einmal gelang es mir auch – aber nur einmal. Nun verachtet er mich und entzieht mir seine Gunst. Bei unserer letzten Zusammenkunft schloß er mich kein einziges Mal in seine Arme, sondern beschimpfte mich mit rauhen Worten und sagte, er wünsche mich nie mehr zu sehen. Ich kann ihn verstehen, denn es liegt auf der Hand, daß ein hochgeborener Ritter wie er viel Geld braucht. Doch könnte man eher aus Granit Geld pressen als aus meinem Gatten, wo kein angemessenes Unterpfand vorhanden ist. Mein Gatte will sein Wort nicht annehmen – obwohl mein Geliebter seine Ehre als Edelmann als Sicherheit für die Anleihe verpfändet hat – und erklärt, auf eine so armselige Sicherheit wolle er keinen einzigen Denier

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