Michael, der Finne
ungeachtet ihres Ranges und ihrer Verfassung.
In der Festung herrschte wenig Weihnachtsfreude, und Junker Thomas sah nur mürrische Gesichter und abgewandte Blicke um sich. Dennoch war er ein hervorragender Führer, wenn auch ein bißchen rauh und allzu rasch bei der Hand. Bevor die Küste einfror, schickte er seine Kriegsschiffe und übrigen Fahrzeuge weg, damit sie sich denen unter Admiral Severin Norby von der königlichen Flotte anschlössen und nicht in Feindeshand fielen. Er verpflichtete sich, die Festung bis zum Frühling zu halten, und bekam schon im Januar zum Lohn für seine Bemühungen die Zusage rascher Hilfe. Seine Majestät war über den Aufruhr sehr erbost und trug ihm auf, alle Schweden oder Finnen, die sich zufällig im Schlosse aufhielten, zu hängen, und fügte hinzu, daß er allen Offizieren im schwedischen Reich denselben Befehl erteilt hatte.
Über diesen Brief war Junker Thomas sehr erfreut und segnete König Christian; er meinte, er habe die sauren Gesichter rings um sich satt, und seine einzige Sorge sei die, daß zu wenig Galgen vorhanden sein könnten. Er konnte kaum den nächsten Tag erwarten, bis die Zimmerleute sie aufgerichtet hatten, und ließ dann alle Schweden und Finnen hängen, wie der König befohlen hatte. Darunter waren zwei kleine Jungen von edler Abkunft, die seine Leute von den Rockschößen ihrer Mütter wegschleppen mußten. Selbst der Schreiber Mans fand eine Schlinge um seinen Hals; Junker Thomas fürchtete, der könne ihn verraten, obwohl Mans viel zu albern war, um ein Verräter zu sein. Er tat mir leid, mehr noch bangte ich aber für mich selbst, überzeugt, daß mir dasselbe Schicksal blühte. Ich war gebürtiger Finne wie die anderen, und als ich sie alle Seite an Seite auf den Wällen baumeln sah, packte mich die Angst so heftig, daß ich Junker Thomas aufsuchte und ihn geradeheraus fragte, wann ich an die Reihe käme.
Er hörte mich verblüfft an, bekreuzigte sich aber nach einigem Nachdenken fromm und sagte: »Zum Teufel mit dem gottlosen Gedanken! Ich kann nicht einen hängen lassen, den der Erzbischof selbst zum Priester geweiht hat. Ich bin ein gläubiger Mensch und halte die Sakramente in Ehren.«
2
Es war ein milder Winter, und bald kam der Frühling. Die See warf ihre eisigen Fesseln ab, und es dauerte nicht lange, bis die sorglosen Belagerer durch einen furchterregenden Anblick aufgescheucht wurden. Norby, der fröhliche Admiral, lief mit dem Wind im Rücken in die Flußmündung ein. In der Stadt herrschte ein heilloses Durcheinander. Gustafs Leute flohen in solcher Hast, daß ich im Hause des Bischofs einen halbgeleerten Suppenteller auf dem Tisch vorfand. Sonst fand ich freilich wenig, denn Nils Arvidsson, der sein Pulver in einem Steinhaus am Nordufer aufgespeichert hatte, sprengte es vor seiner Flucht in die Luft und entfachte dadurch ein Feuer, das einen großen Teil der Stadt zerstörte. Bauten aus Stein, wie der Dom, das Kloster, das Haus des Bischofs und das Hospital, blieben unversehrt; aber selbst dort flogen die bleigefaßten Fensterscheiben unter dem Druck der Explosion in Stücke. Der gute Bischof und die Bürger hatten ihre Habe schon lange vorher in Sicherheit zu bringen gewußt, und so wütete das Feuer meist in leeren Häusern. Doch sowohl Admiral Norby als auch Junker Thomas erhitzten sich über den Brand und hielten wenig von Nils Arvidssons Feldherrnkunst.
Ich eilte als einer der ersten in die Stadt, während das Feuer noch wütete, und lief zu Jungfer Pirjos Hütte, für den Fall, daß sie eines Schutzes gegen Plünderer bedurfte. Die Hütte stand noch, die Fenster freilich waren eingeschlagen und die Tür aus den Angeln gerissen worden. Als ich eintrat, sah ich, daß alle brauchbare Einrichtung entfernt und das übrige zerbrochen war. Andy lag dort auf einer Schütte Stroh. Neben ihm auf dem Boden saß die Wirtin von den Drei Kronen, ihre Röcke um sich gebreitet; es lief ihr aus Augen und Nase wie aus einer Traufe.
»Gott segne Euch, Michael!« sagte sie. »Meine Schenke steht in Flammen, aber ich konnte eben noch Euren Bruder hierherschleppen – denn ich ahnte, daß Ihr kommen würdet, und Ihr seid seine einzige Hoffnung.«
Ich hörte die Soldaten auf der Straße toben und lärmen und wußte im Augenblick nichts Besseres zu tun, als Andys Gesicht mit der Tinte aus meinem Schreibzeug zu besprengen.
Als gleich darauf die Soldaten hereinstürmten, hielt ich sie an und sagte: »Hier liegt ein Mann an den Blattern in den letzten
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