Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Wahlzeit auftauchten, würden wir uns alle in die Schlange einreihen und verlässlich die Demokraten wählen. Wir würden unsere Seelen für den weihnachtlichen Truthahn verkaufen. Die Weißen würden uns ins Gesicht spucken, und wir würden sie noch mit unseren Stimmen belohnen.»
Michelle und ihr Mann haben also ihre Gründe, warum sie den Namen Fraser Robinson III. – und damit indirekt ihre eigenen Biografien – nicht aktiv mit der «Chicago Machine» und den Regierungsjahren Daleys verknüpfen wollten. Den Menschen Fraser Robinson III. hingegen und die Atmosphäre des Aufwachsens in seinem Haus hat Michelle in nahe zu jeder Wahlkampfrede beschworen – auch als First Lady spricht sie darüber. Alles, was sie denke und was sie tue, sei geprägt von der Kindheit «in der kleinen Wohnung, für die mein Vater so hart arbeiten musste». Gewöhnlich leitet die Erwähnung des Vaters zu einem leidenschaftlichen Bekenntnis über: «Tief im Innern bin ich noch immer das kleine Mädchen, das in der South Side von Chicago aufwuchs.»
Schwarzes Arbeiteridyll
Ihre Kindheit beschreibt sie meist mit warmen Worten und einer guten Portion Nostalgie. Ihre Mutter und auch andere Mütter waren tagsüber zuhause, sie und die übrigen Kinder im Viertel hatten Ansprache und Spielkameraden. Fahrräder und anderes Spielzeug konnte man auf der Straße lassen ohne Angst, dass sie gestohlen würden. Von Drogenhändlern oder Schießereien, mit denen ihr Mann Barack in Chicagos South Side konfrontiert wurde, als er 20 Jahre später und einige Meilen weiter südlich als Community Organizer arbeitete, berichtet sie nichts. Und ebenso wenig von alleinerziehenden, oft viel zu jungen schwarzen Müttern und afroamerikanischen Kindern, die ohne Vater aufwuchsen, weil die sich aus dem Staub gemacht hatten. Michelles Kindheitserinnerungen sind vielmehr geprägt von der heilen Familie – sowohl daheim als auch in der Nachbarschaft.
Ende 2007, einige Wochen vor Beginn der Vorwahlen, beschrieb sie der «Vanity Fair», wie unterschiedlich sie und Barack aufgewachsen waren: «Ich brachte sehr traditionelle Vorstellungen von einer Familie in unsere Ehe mit. So kannte ich es von zuhause. Die Mutter ist daheim, der Vater geht arbeiten, beim Abendessen sitzen alle zusammen um den Tisch. Ich hatte eine sehr stabile, konventionelle Kindheit, und das gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Er wuchs ohne Vater auf. Seine Mutter reiste um die Erde.»
Michelles Kindheit entspricht weit mehr als Baracks Aufwachsen den Idealvorstellungen des weißen Bürgertums. Die Werte, die ihr Zuhause prägen, sind die Werte der Mittel- und der gehobenen Arbeiterklasse in den USA. Das Leben dreht sich um die Familie. Die Abende und das Wochenende verbringt man gemeinsam, oft wird gespielt. Monopoly oder auch ein Spiel namens «Hands down», bei dem es um überzeugendes Bluffen geht. Einmal im Jahr fuhr die Familie für eine Woche in Ferien: in Dukes Happy Holiday Resort an einem See in White Cloud, Michigan. Wenn Michelle oder ihr Bruder Craig solche Dinge rückblickend erzählen, klingt es wie die Beschwörung einer besseren Welt, die nur leider untergegangen ist.
Lediglich ein Detail passt nicht so ganz zu den Idealvorstellungen der typisch amerikanischen Wähler. Die Robinsons seien nicht regelmäßig in die Kirche gegangen, sondern «Freidenker» gewesen, berichtete der «New Yorker» im Februar 2008. Insgesamt ist in den Interviews, die Michelle gibt, auffallend wenig vom Glauben die Rede.
Aus der Sozialwohnung mit der Adresse South Parkway – die Straße wurde erst später zu Ehren des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King in «King Drive» um benannt – zogen die Robinsons um 1965 aus. Der Arbeitslohn des Vaters verdoppelte sich, wie gesagt, in den ersten fünf Jahren nach Michelles Geburt. So konnte die Familie in ein etwas besseres Viertel übersiedeln: South Shore. Einige Jahre zuvor war das noch eine nahezu rein weiße Wohngegend gewesen. Das zweistöckige Backsteinhäuschen in der Euclid Avenue im Straßenblock mit den 7400er Hausnummern hatten Verwandte gekauft: William und Robbie Terry. Die Robinsons zogen in das Obergeschoss ein. Es ging beengt zu. Die Wohnung hatte neben einem größeren «Living Room» oder Wohnzimmer nur ein Schlafzimmer und ein Badezimmer plus eine winzige Küche. Als die beiden Kinder größer waren, wurden ein neuer Zuschnitt der vorhandenen Räume und ein Anbau nötig.
In den dynamischen Entwicklungsphasen amerikanischer
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