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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph von Marschall
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umfassende rechtliche Trennung der Hautfarben: Von den Schulen über die Autobusse bis zu den öffentlichen Trinkbrunnen durften Schwarze nicht benutzen, was die Behörden den Weißen vorbehalten und durch entsprechen de Schilder kenntlich gemacht hatten. Die Verbindung, aus der Michelles späterer Mann Barack Obama hervorging – die Ehe zwischen einem Schwarzen und einer Weißen –, war auf Hawaii möglich (und theoretisch auch in Chicago denkbar). In den Südstaaten aber hätten Mauern des Rechts sie verhindert. Diese Mauern sollten bald fallen. Sechs Monate nach Michelles Geburt unterzeichnete Präsident Lyndon B. Johnson den Civil Rights Act, der überall in den USA die Gleichberechtigung vorschrieb und die Rassentrennung beendete. Zunächst freilich nur auf dem Papier. Es sollte noch Jahre dauern, bis die Wirklichkeit im Alltag mit der juristischen Veränderung Schritt hielt.
    Auf indirekte Weise würde Michelle von dieser Ungleichzeitigkeit zwischen Theorie und Praxis profitieren. Um die Angleichung im Alltag zu beschleunigen, beschlossen viele Institutionen in den Folgejahren «affirmative action»: spezielle Förderprogramme für Schwarze, voran im Bildungswesen, um deren bisherige Benachteiligung auszubalancieren. Diese Mechanismen halfen Michelle, eine der besten Schulen Chicagos zu besuchen, und trugen dazu bei, ihr die Türen zu den Eliteuniversitäten Princeton und Harvard zu öffnen. So gesehen kam sie «just in time» zur Welt, zu Beginn einer neuen Ära in der Gesellschaftsgeschichte der USA.
Lob und Leid der «Chicago Machine»
    Ihr Vater Fraser Robinson III. musste sich noch einem Abhängigkeitssystem unterwerfen, um im Beruf voranzukommen und seinen Platz in der politischen wie sozialen Hackordnung zu sichern. Erst die nächste Generation, Michelle und ihr um 21 Monate älterer Bruder Craig, würde dank ihrer Bildung diesen Rahmen sprengen und sich solchen Zwängen entziehen können. Fraser III. war zwar der Agrar- und Sklavenhaltergesellschaft des Südens um zwei Generationen entwachsen. Aber er musste sich als eher kleines Rädchen in die «Chicago Machine» einfügen: ein System politischer Patronage, das über die Strukturen der Demokratischen Partei politischen Rückhalt bis hinein in einzelne Straßenblocks organisierte und diesen Rückhalt mit Vorteilen im kommunalen Angestelltenwesen belohnte – sofern die erwarteten Stimmen am Wahltag geliefert wurden. Fraser III. war ein ehrenamtlicher «Precinct Captain» der Demokratischen Partei in seinem Wohngebiet. Seine Aufgabe war es, die Bürger an die Urne zu bringen und im Idealfall sicherzustellen, dass sie so abstimmten, wie die Parteiführung es wünschte.
    Chicago ist in 50 Parteibezirke gegliedert, sogenannte «wards». Jede «ward» wählt einen «Alderman» in den Stadtrat, hat aber auch je einen demokratischen und einen republikanischen «Committeeman»; sie führen die jeweilige Partei in dem Bezirk. Dabei hilft der «Precinct Captain». Michelles Vater war also eine Art Führungsfigur in seinem kleinen Bezirk – keine Autorität auf Stadtebene, aber eine Persönlichkeit, auf die viele in der Nachbarschaft hörten. Er machte regelmäßig die Runde, verteilte politische Broschüren und diskutierte die aktuellen Ereignisse. Er hörte sich Klagen an, wenn es Probleme gab, zum Beispiel mit der Müllabfuhr oder dem Schneeräumen im Winter. Und wenn es ihm gelang, über die innerparteilichen Kommunikationswege Abhilfe zu schaffen, dann wuchsen sein Ansehen und Einfluss. Die Parteioberen honorierten solche Dienste zudem mit Jobs und Beförderungen.
    Wenige Tage vor Michelles Geburt hatte Fraser III. im Januar 1964 eine neue Stelle in einem Klärwerk der städtischen Wasserbetriebe angetreten. Er war 28 Jahre alt, von der Krankheit, die ihn wenige Jahre später befallen sollte, multiple Sklerose, wusste er noch nichts. Seine Arbeit bestand darin, Ordnung und Sauberkeit im Betrieb zu wahren, Gänge, Wasserbehälter und Ventile zu reinigen, die Müllbehälter zu leeren und beim Entladen von Lkws zu helfen. Er verdiente rund 480 Dollar im Monat. Eine städtische Anstellung galt als sicher und brachte auch eine Krankenversicherung für die junge Familie mit sich. Die Robinsons konnten sich keine großen Sprünge erlauben, aber es reichte zum Leben.
    Die freiwilligen Dienste als «Precinct Captain» für die Demokraten schadeten dem beruflichen Fortkommen gewiss nicht – um das Mindeste zu sagen. Vier Jahre später, 1968, wurde Fraser

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