Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Mutter war, dass wir uns wohl in unserer Haut fühlen.» Die Eltern impften ihnen ein, sie sollten sich nicht durch Beispiele rassischer Vorurteile entmutigen lassen. «Ihr seid genau so viel wert wie alle anderen auch», hätten sie ihnen gesagt. Durch Fleiß und Leistung könne man alles erreichen. Gewiss, das Leben sei nicht immer gerecht. Es würden nicht automatisch die belohnt, die es am meisten verdient haben. Dennoch bleibe harte Arbeit der beste Weg, um die eigenen Ziele zu erreichen. Diese Art, wie die Eltern die Wirklichkeit erklärten, «erschien mir oft so unfair», erinnert Craig. «Aber sie half mir, das Leben zu meistern.» Für ihn und Michelle war dies die entscheidende Gegenbotschaft zum Fatalismus, den andere predigten. Viele behaupteten, schwarze Kinder könnten es in einer Welt, die von Weißen dominiert sei, ohnehin zu nichts bringen. «Wir wuchsen in einer Familie auf, die uns kontinuierlich bestätigte, wie klug wir sind, wie gut wir sind und wie nett es mit uns zusammen sei. Das war schwer zu schlagen. Unsere Eltern gaben uns so einen kleinen Vorsprung, indem sie unser Selbstbewusstsein stärkten.»
Bildung galt im Haushalt der Robinsons als der Weg, wie man die Barrieren der rassischen Vorurteile überwindet. «Unsere Eltern hielten uns dazu an, uns anzustrengen und unsere Hausaufgaben zu erledigen. Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, will man selbst gar nichts anderes mehr als lauter As und Bs», also die besten Noten, sagt Craig.
Zu behütet sollte man sich die äußeren Bedingungen dieser Kindheit freilich nicht vorstellen, nicht nur wegen der untergründigen Spannungen zwischen Afroamerikanern und Weißen, die sich über die Jahre im Bewohnerwechsel in der Nachbarschaft ausdrückten. Die räumlichen Verhältnisse waren bescheiden. Das Obergeschoss des zweistöckigen Backsteinbaus, wo die vierköpfige Familie lebte, beschrieb Craig zu Beginn des Wahlkampfs (gegenüber der «Washington Post») als Zwei-, später (im «Boston Globe») als Vierzimmerwohnung. Dieser Widerspruch lässt sich leicht aufklären. Das großzügige Wohnzimmer – es maß nach Craigs Schätzung etwa 5,50 mal 4,80 Meter – wurde mit zwei Raumteilern in drei Räume verwandelt, um je ein eigenes Schlafzimmer für Craig und Michelle zu gewinnen, als sie älter wurden. «Es ging eng zu. Und wenn ich heute zurückdenke, dann frage ich mich: Wie haben wir das eigentlich ausgehalten? Aber damals kam uns das ganz normal vor.» Mit dem Tod des Hauseigentümers William Terry 1978 und der Pflegebedürftigkeit seiner Witwe Robbie standen den Robinsons zwar auch die Räume im Erdgeschoss zur Verfügung. Aber da nahte bereits das Ende der Schulzeit von Craig (1979) und Michelle (1981). Als Robbie Terry 1983 starb und das ganze Haus an die Robinsons überging, waren beide Kinder bereits ausgezogen und studierten in Princeton.
In den Kindheitsjahren war Michelles eigenes Reich also winzig klein, eher von der Größe einer Kammer als eines richtigen Zimmers. Dort bewahrte sie ihre Puppe auf, die afroamerikanische Version der Barbie, ein Puppenhaus, Spielzeugautos – und später sogar einen Miniaturbackofen.
Als Michelle und Craig etwas älter waren, mussten sie sich an der Hausarbeit beteiligen. Abwechselnd waren sie mit dem Abwasch dran, zu Michelles Pflichten gehörte es auch, samstags das Badezimmer zu putzen. Nachbarkinder, mit denen sie aufwuchs, ihre Mutter und ihr Bruder schildern sie als Macherin, die lieber etwas tat, als herumzuträumen, und die ihren eigenen Kopf durchsetzte. Sie hätten zusammen Büro gespielt, erzählt Craig gern. Er sei der Boss gewesen und Michelle die Sekretärin, aber er habe nichts tun dürfen, weil Michelle darauf bestand, dass sie alle Arbeiten erledigte, die in dem ausgedachten Spiel anfielen.
Körperliche Strafen für Kinder waren damals noch allgemein üblich. Der Vater jedoch habe allein mit seinem Blick strafen können, erzählte Michelle «Newsweek» im Februar 2008. Er habe dabei nicht einmal die Stimme gehoben, sondern nur mit kühlem Blick gesagt: «Ich bin enttäuscht.» Das habe genügt, dass die Kinder in Tränen ausbrachen. Insofern hatte auch der Bildungsehrgeiz der Eltern eine Kehrseite. Die Erwartungen schufen einen gewissen Leistungsdruck. Beide waren freilich gute Schüler und den Klassenkameraden in der Regel voraus. Mutter Marian übte mit ihren Kindern daheim bereits Stoff aus dem Lese- oder dem Rechenbuch, der im Unterricht noch gar nicht dran war. Beide
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