Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
«Vogue» vom September 2007
Soweit man den bunten Blättern glauben darf, ließ die ersehnte Schwangerschaft ein wenig auf sich warten. Michelle war 33 Jahre alt, als das ehrgeizige Paar entschied, nun sei es Zeit für Nachwuchs. Sie wurde unruhig, als es nicht gleich klappte. Doch ab Herbst 1997 bestand kein Zweifel mehr, dass sie ein Kind erwartete. Am 4. Juli 1998 kam Malia auf die Welt. Später würde sie ihren Vater an ihrem Geburtstag selten für sich allein haben. Der 4. Juli ist zugleich der Unabhängigkeitstag, und es gehört zur Politikerpflicht, in den Paraden mitzumarschieren.
Zunächst genossen die Obamas einige Wochen heile Familie, wie Michelle es von ihrem Zuhause kannte und wie sie es sich auch für ihre Ehe gewünscht hatte. Der Geburtstermin war nahezu ideal, erzählt Barack in «Audacity of Hope». Der Landtag und die Universität, wo er während des Semesters weiter Verfassungsrecht lehrte, hielten gerade Sommerpause. Michelle hatte ihre Arbeit auf Teilzeit reduziert. Drei unvergessliche Monate erlebten sie das Elternglück gemeinsam. Ihre unterschiedlichen Tagesrhythmen kamen nun gerade recht. Michelle ist eine Frühaufsteherin, ihr Tag beginnt um 4.30 Uhr mit Morgensport. Barack war dagegen eine Nachteule und ein Morgenmuffel. In den ersten Jahren der Ehe hatte das die Harmonie bisweilen beeinträchtigt. Barack zog sich abends in sein «Loch» zurück, um an seinem Buch zu arbeiten. Das sogenannte «Loch» war ein kleiner Raum neben der Küche, in dem sein Schreibtisch stand. Michelle fühlte sich dann einsam. Wenn sie morgens aufstand, war er noch nicht recht ansprechbar.
Doch nun, nachdem das Baby da war, hatte jeder seine Schicht. Barack war spätabends und nachts dran mit dem Windelnwechseln, Michelle am frühen Morgen. Mit dem Herbst kehrte die volle Berufsbelastung zurück. Barack verbrachte nun wieder viele Tage in Springfield, dem Sitz des Landtags von Illinois etwa 320 Kilometer südwestlich von Chicago. Wenn er von dort zurück war, hatte er Lehrveranstaltungen an der Uni und politische Treffen. Ein Kindermädchen wurde angestellt, das Malia betreute, während beide Eltern ihrer Arbeit nachgingen. Auch diese Kosten belasteten das Portemonnaie.
Die Ehekrise
Baracks Rückblick auf die Geburts- und Babyjahre seiner bei den Töchter hat etwas Rührend-Komisches an sich. Viele Frauen können darin wohl ihre eigenen Erfahrungen wie in einem Spiegel wiederfinden. Zwischen den Zeilen schwingt Michelles wachsender Ärger über den viel zu oft abwesenden Ehemann mit. Er selbst sah sich dagegen als aufgeklärten Anhänger einer Ehe gleichberechtigter Partner mit je eigenen Berufskarrieren – und er hielt sich zugute, dass er ihr alle Freiheiten ließ. 2000 bewarb sich Barack wie erwähnt erfolglos um einen Sitz im Abgeordnetenhaus in Washington. Das verschärfte die Spannungen weiter. «Wir waren müde und gestresst und fanden nur noch wenig Zeit zum Gespräch, von Liebe ganz zu schweigen. Als ich meinen Kongresswahlkampf begann, der unter einem schlechten Stern stand, gab sich Michelle nicht einmal mehr Mühe, ihr Einverständnis mit meiner Entscheidung zu heucheln. Meine Unfähigkeit, die Küche aufzuräumen, wirkte nicht mehr liebenswert. Wenn ich mich morgens zu ihr beugte für einen Abschiedskuss, bekam ich nur ein flüchtiges Küsschen auf die Wange.» Als am 7. Juni 2001 Sasha zur Welt kam, «konnte meine Frau ihren Ärger auf mich kaum zügeln. ‹Du denkst immer nur an dich›, würde sie sagen. ‹Ich hatte nicht die Absicht, eine alleinerziehende Mutter zu werden.›»
Solche Vorwürfe trafen Barack hart. Er fand sie unfair. Schließlich zog er abends nicht durch die Kneipen. Aus seiner Sicht verlangte er nichts Besonderes. Er erwartete keine traditionelle Frauenrolle in dem Sinne, dass Michelle seine Socken stopft und ein Essen auf dem Tisch steht, wenn er heimkommt. Und er half doch immer mal wieder mit den Kindern aus. Also sah er sich als modernen Mann. Im Gegenzug wünschte er sich Anerkennung und etwas mehr Zärtlichkeit. Erst später, schreibt Obama, sei ihm klar geworden, dass die Hauptbelastung von Kindern und Organisation des Haushalts auch in einer modernen Familie zum Großteil an den Müttern hängen bleibt. Sein Zeitplan als Politiker war weniger anpassungsfähig als der seiner berufstätigen Frau. Anders als Michelle spricht Barack allerdings auch aus, in was für einer bevorzugten Lage sie sich befanden im Vergleich mit einer amerikanischen Durchschnittsfamilie.
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