Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
so oft gar nicht zuhause in Chicago war, kann dies allenfalls die Lösung für wenige Tage im Jahr gewesen sein.
Drei Jahre zuvor, im Senatswahlkampf 2004, hatte Michelle ihren Ärger über ihren Mann im Gespräch mit der «Chicago Tribune» stärker durchblicken lassen. Es klang dramatisch – so als sei die Zukunft der Ehe bedroht gewesen. Sie habe damals beschlossen, sich nicht mehr über die ungleiche Belastung zuhause aufzuregen, «denn dann bin ich eine angespannte Mutter und eine verärgerte Ehefrau». Das könne die Beziehung auf Dauer vergiften. «Soweit ich die Männer beobachte, und zwar alle Männer, haben sie eine klare Rangordnung: Das Ich kommt zuerst, danach die Familie, irgendwo ist auch Gottes Platz. Bei Frauen ist das anders. Das Ich kommt bei ihnen erst an vierter Stelle, auf die Dauer ist das nicht gesund.»
Am Ende dieser Entwicklung war es für Michelle nicht mehr entscheidend, Barack zu zwingen, dass er seine Prioritäten ändert. Sondern einen anderen Weg zu finden, wie sie wieder mehr Zeit für sich und ihren beruflichen Ehrgeiz gewann. Sie schloss Frieden mit der Lage, die sie jahrelang empört und ihre Ehe an den Rand des Scheiterns gebracht hatte. «Kaum noch miteinander geredet» hätten Michelle und Barack zeitweise, hat sein Büroleiter Dan Shomon über die Jahre 2000/01 gesagt. «Ich habe eine Menge Zeit damit verloren, zu erwarten, dass mein Mann diese Probleme löst», erklärte Michelle im Sommer 2007 der «Vogue». «Aber irgendwann habe ich verstanden, dass er für uns da war, so gut er konnte. Wenn er nicht da war, bedeutete das nicht, dass er kein guter Vater war oder es ihm egal ist. Ich begriff, dass auch meine Mutter oder ein guter Babysitter aushelfen konnten. Und als ich das akzeptiert hatte, wurde meine Ehe wieder besser.»
Michelle organisierte ihr «support network», wie sie das nennt: einen Kreis persönlicher Helfer, zu dem Mutter Marian, Nachbarn, Verwandte und Babysitter gehörten. Sie schafften den Freiraum, den ihr Mann, der ehrgeizige Nachwuchspolitiker, ihr nicht geben konnte – den Freiraum, der ihr die volle Berufstätigkeit ohne schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern ermöglichte. An einem Herbsttag 2001 ging sie dann schließlich zum Vorstellungsgespräch in der Uniklinik, rund vier Monate nach Sashas Geburt. Über diese Etappe in ihrem Leben haben Michelle und ihre Arbeitskolleginnen mitunter gesprochen. Freilich klingen auch da wieder manche Details ein bisschen nach Legendenbildung und lassen sich nur bedingt mit anderen Informationen in Einklang bringen. Mehrfach erzählte Michelle, sie habe ihre jüngere Tochter Sasha zu dem Vorstellungsgespräch mitnehmen müssen, weil diese noch aufs Stillen angewiesen war. Das passt nun nicht so recht zu der anderen Erzählung, dass sie morgens ins Fitnessstudio ging und es Barack überließ, Sasha das Fläschchen – vermutlich mit abgepumpter Muttermilch – zu geben.
Eine besonders ungewöhnliche Version gab Michelle Ende Januar 2008 kurz vor der Vorwahl in South Carolina zum Besten. Bei einem Mittagstreffen mit 150 Frauen im Restaurant «Lazy Goat» in Greenville sagte sie, sie habe Sasha zu dem Vorstellungsgespräch mitgenommen, um ihre Aussichten auf die Anstellung zu sabotieren. Sie habe das vier Monate alte Baby dort gestillt und ein besonders hohes Gehalt verlangt, um abgelehnt zu werden. Den Job bekam sie dennoch. Selbstverständlich. Wann hat Michelle je ein Projekt begonnen, bei dem sie an ihren persönlichen Erfolgsaussichten zweifelte?
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Zurück ins Berufsleben
«Eine eigene Arbeit ist wie eine Auszeichnung.
Ich kümmere mich sehr gern um Probleme, die nichts mit meinem Mann und meinen Kindern zu tun haben. Wenn man das erfahren hat, ist es sehr schwer, das wieder aufzugeben.»
Michelle zur «Vogue» vom September 2007
Die Spannungen zwischen dem Uniklinikum Chicago und den Bürgern in den umliegenden Wohnvierteln haben auch mit den Besonderheiten des Krankenversicherungssystems in Amerika und dem Leistungsangebot der unterschiedlichen Kliniken zu tun. In den USA gab es damals – und gibt es auch 2009 – keine allgemeine Krankenversicherung für alle Bürger. Barack Obama hat die Einführung eines solchen Systems zu einem zentralen Wahlversprechen gemacht. Ein erster Anlauf unter Bill Clinton war 1994 am Widerstand der Republikaner und der Gesundheitslobby gescheitert.
Im bisherigen System ist die
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