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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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raus gingen, weil wir glaubten, dass das Publikum nicht wirklich wusste, wer wir waren, aber als wir ›Out of Sight‹ anstimmten, sprangen sie förmlich von ihren Sitzen auf«, schreibt Brown in seiner Autobiografie James Brown. Godfather of Soul . »Wie immer spielten wir eine Handvoll Songs hintereinander weg. Ich glaube, ich habe mein Lebtag nicht so wild getanzt wie dort, und ich glaube, sie hatten noch nie einen Menschen gesehen, der sich so schnell bewegt.« Brown wusste, dass die Stones ihn vom Bühnenaufgang aus beobachteten. Jeder sah sich das an; alle Augen ruhten auf ihm. Während er in seinen Lackschuhen über die Bühne glitt, seinen beringten kleinen Finger auf die Hüfte legte, in seinem karierten Jackett und der passenden Weste auf die Knie fiel und in Nullkommanichts wieder auf die Füße sprang. Trotz all dieser körperlichen Anstrengung, hörte man ihn nicht ein einziges Mal hecheln oder schnaufen. Es schien, als verbrenne er Sauerstoff und atme durch gut getarnte Kiemen. Brown bot eine ungeheuer dramatische Version von »Prisoner of Love«, wobei er wilde Grimassen schnitt und auf sein Mikrofon zusteuerte, als sei es ein Rettungsanker irgendwo im sturmgepeitschten Pazifik. Anschließend scheuchte er seine Band durch eine unglaublich temporeiche, fast schon punkige Version von »Night Train«, wobei er die Zielorte »Miami, Florida! Raleigh, North Carolina!« in fast derselben Weise intonierte, wie Dee Dee Ramone Jahre später die einzelnen Ramones-Songs mit einem schnellen »1-2- 3-4« einzählte. Danach atmete er endlich aus, ließ sich auf das Schlagzeugpodest fallen und holte demonstrativ Luft, als wolle er sagten: »Mann oh Mann, wie fandet ihr das?«
    Aber er war noch nicht fertig. Er stand wieder auf, tänzelte in seinem Shuffle-Schritt zum Mikrofon zurück und brach dort angekommen bühnenreif zusammen. Es war das Zeichen für seine Crew, die ihm nun aufhalf und versuchte, ihn von der Bühne zu tragen. Natürlich war alles nur Show. Trotzig riss Brown sich los, rannte abermals zum Mikrofon und kostete den Beifall der Menge aus, die noch lauter schrie als zuvor. Wieder zog die Band ihn fort, und wieder lief er zum Mikrofon zurück. »Als ich fertig war, verlangte die Menge fortwährend nach Zugaben. Es war einer dieser Auftritte, bei denen man überhaupt nicht merkt, das man was tut«, schreibt Brown. »Irgendwann während der Zugaben setzte ich mich unter einen Monitor und ließ kurz den Kopf baumeln, dann blickte ich wieder auf und lächelte. Eine Sekunde lang wusste ich tatsächlich nicht mehr, wo ich war.«
    Nur etwa fünf Meter entfernt stand Mick Jagger, ebenso schweißgebadet wie Brown, obwohl er noch nicht einmal angefangen hatte zu singen. Er spürte, wie ihm seine Beine fast wegsackten, er fühlte sich leicht benommen. »Die Stones standen zwischen den ganzen Absperrungen«, erinnert sich Brown. »Jedes Mal, wenn sie sich bereit machten, um auf die Bühne zu gehen, rief das Publikum wieder nach uns. Sie kamen einfach nicht raus – es war zu heiß da draußen.«
    »Nach James’ Auftritt hatten die Techniker gerade genug Zeit, eine zu rauchen oder kurz zu verschnaufen, die Mikros umzuarrangieren und die Instrumente raufzubringen. Zwanzig Minuten,« so der Regisseur Steve Binder. Zwanzig Minuten … nach so einem Auftritt.
    Jagger zündete sich eine letzte Zigarette an und ölte seine Stimme mit einem Schluck Jack Daniels, während die Techniker die Bühne für die Stones vorbereiteten. Das Gekreische der Fans, die die Band sehen wollten, verschlimmerte nur seine Nervosität, die aufgrund der großen Herausforderung ohnehin schon enorm war: Wie um alles in der Welt konnte er das, was er soeben gesehen hatte, noch toppen?
    Jan und Dean gingen wieder auf die Bühne und hießen sie willkommen, »diese netten Jungs aus England, die Rolling Stones«. Nervös und schicksalsergeben nahmen diese mutigen Jungs aus Südlondon ihre Rolle als Headliner an. Und sie zogen ihr Ding durch. Den Rolling Stones gelang das Unmögliche: Sie ließen die Zuschauer Browns epochalen Auftritt vergessen. Sie machten etwas völlig anderes, und doch war es ein ironisches Spiel mit demselben Beat. Nach einem halben Dutzend TV-Auftritten waren sie erfahren genug, um sich ganz in ihrem Sinne zu präsentieren und den Zuschauern einen unvergleichlichen, spektakulären Auftritt zu bieten. Mit jeder Menge Überraschungsmomenten und einer gehörigen Prise Erotik schafften sie es, James Brown ebenbürtig zu sein. Das

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