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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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gestellt, 1964 im Santa Monica Civic Auditorium.
    Sobald die letzten Töne von »Let’s Get Together« verklungen waren, kehrten die einzelnen Gruppen wieder dahin zurück, von wo sie gekommen waren. Die Aufhebung der Rassentrennung ging weiter ihren gewohnt unerträglich langsamen Gang. Sogar die T.A.M.I. Show traf auf ein gespaltenes Publikum. In den vorwiegend schwarzen Vierteln flippten die Leute aus, als James Brown auf die Bühne kam, er war hier der Star, ganz gleich wer nach ihm spielte. In Gebieten mit vorwiegend weißer Bevölkerung, waren die Stones die großen Abräumer. Doch die strikten Abgrenzungen begannen allmählich zu verschwimmen, und so landete James Brown 1965 mit »Papa’s Got a Brand New Bag« seinen ersten Top-Ten-Hit. Ein zweiter folgte noch im selben Jahr mit »I Got You (I Feel Good)«. Brown präsentierte den Song an der Seite des Teenie-Idols Frankie Avalon in dem Film Ski Party . Und auch die Stones konnten langsam die Früchte ihrer hart erkämpften Anerkennung unter den Schwarzen ernten. Und das alles, ohne dass ein Tropfen Blut hatte fließen müssen.

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KAPITEL 4

  M  it den Worten »Jetzt spielen wir einen richtig alten Song« kündigt der fünfundsechzigjährige, ein extra eng geschnittenes schwarzes T-Shirt und eine entsprechende Hose tragende Mick Jagger dem Publikum im New Yorker Beacon Theatre das nächste Stück an. »Das ist einer der ersten Songs, den wir je geschrieben haben. Wir haben ihn dann jemand anderem gegeben, weil er uns ein bisschen peinlich war.« Wenn man Mick »As Tears Go By« in Martin Scorseses Konzertfilm Shine a Light aus dem Jahr 2006 singen sieht – der Song selbst war zu diesem Zeitpunkt zweiundvierzig Jahre alt –, wird man Zeuge eines der wenigen eindringlichen und nachdenklichen Momente, die die Shows der späten Rolling Stones zu bieten haben. Das ist ohne Frage ein nostalgischer Augenblick wie man ihn auf Konzerten älterer Rockstars zwar auch nicht eben selten erlebt, doch der Song hat noch immer dieselbe Wirkung wie 1964, als Mick und Keith ihn komponierten (Mick schrieb den Großteil der Lyrics und die Gesangsstimme, Keith steuerte die wehmütige Akkordfolge bei). Die langsame Nummer zeigt uns die Rolling Stones von einer Seite, die nur selten beachtet wird: die der grüblerischen Folkies. Das ist kein Wunder, denn in den Stadionshows spielen die stimmungsvollen, ruhigen Songs kaum eine Rolle. Dennoch ist diese Seite der Musiker, die Mitte der 60er neben »Get Off of My Cloud« auch »Heart of Stone« und »Play with Fire« schrieben, nicht etwa verkümmert. Wenn sie gelegentlich in kleinen Clubs oder Theatern wie dem Beacon auftreten, kommt diese andere Seite zum Vorschein und uns wird wieder bewusst, welche emotionale Bandbreite die Musik dieser Band auszeichnet.
    Viele vermuten, dass die Stones, wenn es nach Brian Jones gegangen wäre, nie etwas anderes als schnörkellosen Delta- und Chicago-Blues gespielt hätten. Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass Andrew Oldham aus Mick und Keith das Songschreiberduo machte und nicht etwa aus Keith und Brian oder Mick und Brian. Dabei ist Brian in dem Moment, als sie anfingen, ihre eigenen Nummern zu schreiben, fraglos ihr bester Instrumentalist und Arrangeur gewesen. So verhalf er »Ruby Tuesday« mit seinem großartigen, getragenen Blockflötenspiel fast zu einer zweiten Melodiestimme, er steuerte die jazzige Marimba zu »Under My Thumb« bei, die stilvollen Zitherklänge zu »Lady Jane« und die finster brummende Sitar zu »Paint It Black«. Auch einige avantgardistisch angehauchte Standardblues- und Akustiknummern gehen auf sein Konto. »Stray Cat Blues« und »Street Fighting Man« auf Beggars Banquet waren seine letzten großen Beiträge als Zuarbeiter für Jagger /Richards.
    »As Tears Go By« ist der Song, mit dem alles anfing. Ein Zufallsprodukt, das zeigte, dass die Stones nicht nur Songwriter waren, nicht nur Rebellen, sondern auch Romantiker, die man nicht einfach als Rabauken abtun konnte. Mick Jagger, der längst zum Sexidol avanciert war, wurde dank dieses Songs nun auch als Poet wahrgenommen. Das ist ein großartiges Verdienst für eine Nummer, die eigentlich nur auf Oldhams Drängen hin geschrieben wurde. Oldham, der wusste, wie viel die Beatles allein durch den Verkauf von Notenblättern und die Rechte an ihren Songs einnahmen, dachte dabei nur ans Geld – und Mick und Keith lieferten ihm ein Kunstwerk.
    »As Tears Go By« war ein Song für eine Frau, eine

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