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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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die Saallichter ausgingen, kündigte Cutler die Band mit denselben Worten an, und als die Tour aufs Ende zuging, hatte Mick aufgehört, ihn zurechtzuweisen. Die Stones hatten gerade bewiesen, dass sie ihren Groove wiedergefunden hatten. Jeder war davon überzeugt, dass das letzte Konzert in San Francisco ein absoluter Höhepunkt ihrer Karriere werden würde.
    Was niemand erwähnt, wenn er von Altamont spricht, ist wie unfassbar traurig die ganze Angelegenheit war. Alle sprechen von einer »Tragödie«, aber eigentlich war es nur traurig: traurig für die Hells Angels, traurig für die Rolling Stones und traurig für den Rock’n’Roll und seine Fans. Noch heute, vierzig Jahre später, schwebt der Geist von Altamont über allen Rock’n’Roll-Veranstaltungen, vom intimsten Konzert im Hinterzimmer irgendeiner Kneipe bis hin zu solchen Megaevents wie dem Stones-Konzert am Strand von Copacabana in Rio de Janeiro 2006, zu dem mehr als eine Million Menschen kamen. Altamont ist der Grund dafür, dass sich auf jeder größeren Veranstaltung Horden von Polizisten tummeln und in jedem noch so kleinen Club Security-Personal mit Walkie-Talkies vor der Bühne steht. »Es wird von Rock’n’Roll-Kritikern immer ins Feld geführt werden werden«, schrieb Bill Graham, der legendäre Promoter aus San Francisco, in seinen Memoiren. »Ihr könnt all diesen Leuten nicht erlauben, sich hier für ein Konzert zu treffen. Sie könnten sich was antun. Denkt an Altamont.« Am schlimmsten waren die Geschehnisse natürlich für die Freunde und die Familie von Meredith Hunter, alias Murdoch, der achtzehnjährige Teenager, der vor der Bühne erstochen wurde, während die Stones vor dreihunderttausend Zuschauern auftraten. Hätte Meredith Hunter sich an diesem Wochenende stattdessen Bob & Carol & Ted & Alice angesehen, hätten die Chancen nicht schlecht gestanden, dass er im Oktober 2011 sechzig Jahre alt geworden wäre. So wie die Dinge gelaufen sind, bleibt er für immer achtzehn Jahre alt und läuft in einem grässlichen lindgrünen Anzug mit passendem Hut und einem schwarzen Seidenhemd durchs kollektive Gedächtnis. Die Fakten über Altamont sind allgemein bekannt. Nach dem Blind-Faith-Konzert im Hyde Park im Juli 69 und dem dreitägigen Woodstock-Festival im darauffolgenden Monat war man sich einig, dass diese Events dem Rock’n’Roll und der Jugendkultur völlig neue Dimensionen eröffnet hatten. Rock’n’Roll war ein Massenphänomen geworden, ein ungeheuer machtvolles und einflussreiches Phänomen. Und die Stones, die nicht in Woodstock dabei waren (ihre Konkurrenten um den Titel der »größten Rock’n’Roll-Band der Welt«, The Who, lieferten hier einen denkwürdigen Auftritt), wollten zeigen, dass sie dieses Phänomen kontrollieren und ihrem Willen unterwerfen konnten. Sie wollten ihr eigenes Woodstock. Altamont war ganz gewiss der Ego-Trip, als den viele Stones-Kritiker die Show bezeichneten. Der Rolling Stone nannte das Konzert ein »Produkt aus teuflischem Egoismus, Medienrummel, Unfähigkeit und finanzieller Manipulation«. Ebenso aber war es ein klassischer Fall von durch die Medien erzeugtem öffentlichen Druck, der überhaupt erst zu der Idee führte. Die Stones sandten ihr Team – darunter auch der exzentrische Anwalt und TV-Star Melvin Belli – aus, um in San Francisco einen geeigneten Ort für die Veranstaltung zu finden.
    Aus naheliegenden Gründen fiel die Wahl auf den Golden Gate Park: Hier befand sich das Epizentrum der internationalen Hippiebewegung, außerdem lag der Park mitten in einer amerikanischen Großstadt, wodurch der Band das uneingeschränkte Medieninteresse, das sie sich wünschte, sicher war. Gleichzeitig zeigten die Stones den Leuten mit der Wahl dieses Veranstaltungsorts, dass sie den Kontakt zum Leben auf der Straße nicht verloren hatten; sie hatten sich nicht in einen Elfenbeinturm zurückgezogen, sie hatten ihre Brüder und Schwestern nicht im Stich gelassen. Außerdem war der Redaktionssitz des Rolling Stone in San Francisco – wo er übrigens immer noch ist. Der Mitbegründer des Magazins Ralph J. Gleason, der außerdem als Musikjournalist beim San Francisco Chronicle arbeitete, hatte die Band wegen ihrer hohen Eintrittspreise kritisiert und erklärt, dass sie, wenn sie wirklich eine Band des Volkes sein wollten, am besten ein Gratiskonzert gäben. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Woodstock nur deshalb zu einem kostenlosen Konzert geworden ist, weil zehntausende Fans die

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