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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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hatte, zum anderen nichts weniger als eine Rock’n’Roll-Band. Sie waren jetzt etwas anderes, irgendetwas jenseits von Rock’n’Roll, aber irgendwie auch ein bisschen verloren ohne ihn.

DIE NEUE
JUDY
GARLAND
KAPITEL 10

  M  anche Leute meinen, Bianca Jagger sei lediglich ein Geschöpf der Medien«, schrieb Bob Colacello 1986 in der Novemberausgabe der Vanity Fair . Die Bianca Jagger, die heute noch im öffentlichen Bewusstsein herumschwirrt, ist oft tatsächlich nichts anderes als diese mediale Schöpfung: dekadent, geldgeil, oberflächlich und – wenn man den angesagten Designern der Disco-Ära glaubt – eine Zicke. Und das, obwohl sie sich jahrelang als engagierte Fürsprecherin für die Unterdrückten vom Amazonas bis hin nach Afghanistan eingesetzt hat, trotz ihres Einsatzes für das Internationale Rote Kreuz, trotz ihrer Umweltprojekte und ihrer eigenen Menschenrechtsorganisation. Die Bianca Jagger, die die ganze Welt kennt, sitzt für immer im langen Abendkleid auf dem Rücken eines ungesattelten Schimmels, den ein nackter Mann mit einem stilechten Pornobalken ins Studio 54 führt. Es ist ihre Geburtstagsparty. Die »reitende Frau« ist ein jahrhundertealter ikonografischer und mythologischer Topos, doch Bianca Jagger wirkt teilnahmslos, fast schon gelangweilt von dem Spektakel. Sie lächelt nur schwach, statt breit zu grinsen. Es ist diese unheimlich verhaltene Reaktion, die dieses Bild für immer prägt und es zu einem eindrucksvollen Symbol der Disco-Ära macht. »Dass Bianca Jagger absolut medientauglich und eine zur Disco-Ära passende Muse war, lag an zwei Wesenszügen: Sie war unergründlich und lechzte nach Aufmerksamkeit«, schrieb Anthony Haden-Guest, der den Aufstieg und Fall des Studio 54 in seinem Buch The Last Party nachzeichnete.
    Älterwerden ist wahrlich keine leichte Angelegenheit und man kann es niemandem verübeln, wenn er versucht, seine Sinne mit irgendwelchen Ablenkungen zu benebeln, um sich den schmerzlichen Wahrheiten des Erwachsenwerdens nicht stellen zu müssen, aber wir reden hier von 1977. Im CBGB waren schmuddelige junge Punks gerade dabei, die Musik, die Biancas Ehemann fünfzehn Jahre zuvor so spannend gemacht hatte, neu zu erfinden, und hier erschien sie nun, im Finale einer spektakulären Show, die Steve Rubell und Ian Schrager, die Besitzer von Studio 54, inszeniert hatten, und tat rein gar nichts. Denn das war eigentlich alles, was Bianca Jagger machte, wenn man mal davon absieht, dass sie ausgelassen feierte und Modedesignern gestattete, ihr eine neue Garderobe auf den zierlichen Leib zu schneidern.
    Aus heutiger Sicht, in der Ära von Paris Hilton und Kim Kardashian, muss man ihren märchenhaften Müßiggang als geradezu bahnbrechend bezeichnen. Bianca Jagger war der erste Star, der anscheinend keinerlei Beschäftigung nachging. Sie war schlicht und ergreifend Bianca, mit einem Hauch Rot auf den vollen Lippen, gehüllt in ein Kleid im Stil einer griechischen Göttin, das eine ihrer anbetungswürdigen Schultern freiließ, während Halston oder Andy Warhol irgendein Bonmot in ihr juwelenbehängtes Ohr flüsterte. Zu dieser Zeit war sie selbst schon zum Star geworden. Gemeinsam mit ihrem Mann zog sie ein ungeheures Medieninteresse auf sich – wie Jack und Anjelica oder Woody und Mia. Jack Nicholson und Anjelica Huston waren Schauspieler; sie drehten Filme. Auch Bianca fand die Idee, Schauspielerin zu werden, eine Zeit lang reizvoll, ohne dass je etwas daraus wurde. Mick Jagger war Schauspieler und Rockstar, darüber hinaus fungierte er in dem Jahr, in dem er Bianca kennenlernte, gewissermaßen als Manager der Rolling Stones. Bianca war – tja, was eigentlich? Ein äußerst ansehnliches Vakuum mit karamellfarbener Haut, dunklen Haaren, dunklen Augen, einem glamourös flachen Busen und einem leicht überheblichen Schlafzimmerblick. Die Medien, die sie schufen, liebten sie, alle anderen begegneten ihr mit Argwohn, Eifersucht, Neid und Gehässigkeit. Anfangs übertrug sich das auch auf Mick und die Rolling Stones. Was hatten sie sich bloß dabei gedacht?
    Wahrscheinlich war Bianca – wie ich weiter unten noch genauer ausführen werde – Teil eines größeren Plans, eines Plans, der die Rolling Stones insgesamt weiterbrachte und ihnen eine Nische eröffnete, die eine grobschlächtigere (wenn auch ebenso brillante) Band wie Led Zeppelin niemals besetzten konnte. Später hieß es, Bianca Jagger habe die Stones ein bisschen ausgebremst. Zweifellos hat sie das getan

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