Mick Jagger: Rebell und Rockstar
attraktiv, aus dem Mick sich zu Bianca hingezogen gefühlt hatte: Sie waren sich ähnlich, zumindest haben etliche Leute immer wieder darauf hingewiesen.
»Ihm war offensichtlich auf meinem ersten Album ein bestimmtes Bild von mir aufgefallen«, erklärte mir Carly Simon. »Ich will es nicht direkt Narzissmus nennen, aber es hat auf jeden Fall seine Neugier geweckt und dazu geführt, dass er mich kennenlernen wollte.«
Carly Simon galt damals noch als Newcomerin, wenngleich sie bereits seit den frühen 60ern als eine Hälfte der Geschwisterband The Simon Sisters auf der Bühne stand. Die Tochter des Verlegers Richard Simon von Simon and Schuster, die am nördlichsten Zipfel von New York City aufgewachsen war, hatte eine Zeit lang das renommierte Sarah Lawrence College besucht, wo ihre musischen Talente gefördert wurden. Später ging sie nach Europa und erlebte hautnah das Swinging London der mittleren und späten 60er-Jahre. Sie hatte damals zusammen mit dem britischen Szenegänger Roger Donaldson in einem Apartment an der Protobello Road gewohnt. Als sie ihre Beziehung beendeten, zog sie wieder nach New York und versuchte zunächst, als Journalistin Fuß zu fassen, bevor sie auf dem Höhepunkt der Singer-Songwriter-Ära zu Beginn der 70er-Jahre einen Vertrag bei Electra Records unterschrieb. Sie hatte eine kurze Affäre mit Cat Stevens, der sie zu ihrem ersten großen Hit »That’s the Way I’ve Always Heard It Should Be« inspirierte, und trat im Vorprogramm von Kris Kristofferson auf, mit dem sie angeblich auch ein Techtelmechtel gehabt haben soll. Ihr zweites Elektra-Album, das 1971 auf den Markt kam, enthielt mit dem Titelsong »Anticipation« (der später in einem Werbespot für Heinz Ketchup verwendet wurde) einen weiteren Hit. Schon früh hatte Carly Simon Werbe-Jingles als Einnahmequelle entdeckt, weshalb sie auch die Kunst beherrschte, schnell und zielsicher auf den Punkt zu kommen, was für die aufstrebenden Talente der Singer-Songwriter-Szene in den frühen 70ern alles andere als typisch war. »Wenn du über Beef Jerky schreibst, dann musst du erklären, was an Beef Jerky so gut ist«, sagt sie heute. »Meine rechte Gehirnhälfte war damals nicht sehr gefordert.«
Ihre Auftritte und Tourneen führten Simon durchs ganze Land. Nach einer Show in der New Yorker Carnegie Hall lernte sie James Taylor kennen. Der außerordentlich begabte Musiker hatte seinerzeit schwer mit dem Ruhm und seiner Heroinsucht zu kämpfen. Wenn man sich Monte Hellmans Auto-Kultfilm Asphaltrennen anschaut, erhält man einen guten Eindruck von dem ruhigen, doch irgendwie gehetzt wirkenden Taylor, der hierin neben dem Beach-Boys-Drummer Dennis Wilson und Warren Oats eine der Hauptrollen spielt.
Als Carly Simon Mick Jagger schließlich auf einer Party anlässlich der Veröffentlichung von »Brown Sugar« im Mai 71 kennenlernte, waren sie und Taylor bereits ein Paar. »Ich hatte mich gerade Hals über Kopf in James verliebt. Mick war verheiratet, daher war es für uns beide zu dieser Zeit kein Thema, eine Beziehung einzugehen, nichtsdestotrotz hat es zweifellos auf beiden Seiten geknistert.« Das Modell der »offenen Ehe« war in den frühen 70ern zwar durchaus salonfähig, doch Carly Simon war in der Beziehung eher altmodisch. »Für mich wäre so etwas ganz gewiss nicht infrage gekommen. Und für James auch nicht – und wenn doch, war er umsichtig genug, mir nichts davon zu erzählen. Ich fand den Gedanken, Mick Jagger kennenzulernen, sehr aufregend, und dass er mich auch kennenlernen wollte, war unglaublich. Ich habe in keinerlei Hinsicht irgendwelche Bedenken gehabt, aber es spielte gewiss eine Rolle, dass ich eine Frau und Mick ein Mann war. Das gehörte dazu.«
Carly Simon musste danach immer wieder an Mick denken. »Ich fand es echt prickelnd, ihn kennenzulernen. Wenn man eines seiner Idole getroffen hat, dann ist es schwer, sich vorzustellen, dass derjenige auch einfach nur allein nach Hause geht.« Carly Simon glaubte, hinter die Fassade der Sixties-Ikone geblickt und den wahren Mick kennengelernt zu haben, den echten, tiefgründigen Menschen. Sie suchte nach einer Möglichkeit, um dem auf den Grund zu gehen, und kam irgendwann auf die Idee, ihn zu interviewen. Sie ließ den Kulturredakteur der New York Times wissen, dass sie gerne ein Interview mit dem Stones-Sänger führen wollte. »[Der Redakteur Seymour Peck] sagte, wenn Jagger einverstanden sei, wäre das großartig«, verriet sie dem Rolling Stone zwei Jahre
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