Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Freundschaft mit Lorne Michaels, dem Erfinder der Show. Die Stones traten in der Sendung vom 7. Oktober 1978 auf; Mick spielt sich in einem Sketch mit Dan Aykroyd, der in der Rolle des Interviewers Tom Snyder zu sehen ist, selbst.
Dan Aykroyd (als Tom Snyder): »Get Off of My Cloud«, das war einer der besten Songs, die ihr je geschrieben habt. Und ich sag dir auch warum. In den 50 ern hab ich bei Westinghouse Industries gearbeitet, nicht in der Bierdeckel-, sondern in der Rundfunksparte. Da gab es einen Bereichsleiter, der hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Ich war immer kurz davor, zu sagen: »Verpiss dich von meiner Wolke.« Hast du irgendwann schon mal den Drang gefühlt zu sagen: »Teufel noch eins, ich bin Mick Jagger. Ich hab eine Handvoll Hits geschrieben. Ich kann es mir leisten, mir ein bisschen frei zu nehmen und verflucht noch eins tun, was ich will.«
Mick Jagger: Ich glaube, das tue ich. Ich meine, wir waren auf Tour und die war echt erfolgreich und dann hab ich echt mal was Verrücktes gemacht, zumindest ein bisschen was Verrücktes: Ich hab mir einen Grill und einen Swimmingpool in den Garten gestellt.
Im Laufe der Zeit hat Mick unter anderem eine Keith-Parodie für einen Weekend Update -Sketch an der Seite von Mike Myers in der Rolle des »Mick« gespielt, und zu Beginn des neuen Jahrtausends haute er sich in einer von den Marx Brothers inspirierten Spiegel-Szene, in der Jimmy Fallon eine ähnlich exzellente Mick-Parodie hinlegt wie Myers, selbst in die Pfanne. (»Hier sind wir also wieder bei Saturday Night Live . Was soll ich tun? Ich hab’s in den 70ern, den 80ern und den 90ern gemacht. Und ich tu’s schon wieder in diesem Jahrzehnt – wie auch immer man es nennen mag.«) Die Idole der älteren Generation vom Sockel zu stürzen und sie schlechtzumachen, ist ein so unorigineller wie verständlicher Abgrenzungsreflex jeder jungen Generation, und gegen Ende der 70er war der inzwischen auf die vierzig zugehende Mick zu einem in dieser Hinsicht beliebten Opfer geworden. Wer Lust hat, danach zu suchen, findet auf YouTube einen Clip, in dem der heutige Senator Al Franken (zusammen mit Tom Davis, der als Keith auftritt) in der Sendung Solid Gold mit einer Jagger-Parodie glänzt (zu einem Playback von »Under My Thumb« in Micks typischem Bühnenoutfit von 1981: gelbes Muskelshirt und enge Footballhosen). Für Richard Belzer wurde seine Jagger-Parodie (»ein Hahn auf LSD«) sogar zu einer Art Markenzeichen. Und Eddie Murphy stellt in seinem berühmten Stand-Up-Comedy-Special Dilirious , mit dem er den Durchbruch schaffte, fest: »Einen Komiker kann man nicht mit einem Sänger vergleichen – die Sänger kriegen alle Miezen. Du musst nicht mal gut aussehen, du musst nur singen, und schon kriegste ’ne Mieze. Mick Jagger is ’n hässlicher Arsch mit dicken Lippen. Mick Jagger hat so dicke Lippen, dass sogar Schwarze sagen: ›Mein Gott, hast du dicke Lippen.‹ Aber er kann singen.« Ungeachtet dessen sorgte Jagger mit seinem bahnbrechenden Auftritt in All You Need Is Cash für die erste und beste Parodie seiner selbst, und mit den kurzen Einspielern, in denen er zu sehen ist, erlöste er seine Generation ein zweites Mal. Indem er sich selbst spielte, rückte er auch das Konzept der Meta-Performance in den Blick. Als erst einmal alle darüber lachen konnten, konnte man die Sixties endlich in einem größeren Zusammenhang betrachten, und wenn ihre Überbleibsel schon nicht jünger geworden waren, so konnten sie nun doch zumindest wieder viel freier atmen. In Woody Allens Tragikkomödie Verbrechen und andere Kleinigkeiten aus dem Jahr 1989 erklärt der von Alan Alda gespielte Wichtigtuer Lester dem von Woody Allen verkörperten mäßig erfolgreichen Filmemacher Cliff, dass eine Komödie nichts anderes sei als eine »Tragödie plus Zeit«. Solange das Blut, das im Benedict Canyon und in Altamont geflossen war, noch frisch war, konnte man nichts tun als warten.
PUNKIGER
ALS
EIN PUNK,
RÜDER
ALS EIN
RUDE BOY
KAPITEL 14
E in Flyer, der Gigs der Punkrockbands The Weirdos und The Dils am 8. Juni 1978 im Whisky a Go Go in Hollywood ankündigt: Mitten auf dem Flyer prangt Mick Jaggers langhaariges Konterfei mit seinem skeptischen Schlafzimmerblick und zieht den Blick des Betrachters an. Irgendwer hat ihm unter Zuhilfenahme eines Filzstifts einen chinesisch anmutenden Schnauz- und Spitzbart aufgemalt, was an Marcel Duchamps dadaistische Modifikation der Mona Lisa erinnert. Am Tag darauf kam
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