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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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Some Girls in den Handel, das vierzehnte Studioalbum der Rolling Stones, mit dem die Band ihr altes Rebellen-Image wiederbeleben wollte. Sie hatten sich viel vorgenommen!
    Wie war es nur dazu gekommen, dass die Stones ihren Biss verloren hatten? Wo waren ihre Ecken und Kanten geblieben? Wann hatten die kritischen Hörer angefangen, den Stones das, was sie ihnen musikalisch darboten, nicht mehr abzunehmen? Keine Frage, auch Mitte der 70er konnten die Stones noch mit einigen grandiosen Riffs glänzen (»If you Can’t Rock Me« und »Dance Little Sister« auf It’s Only Rock’n’Roll , »Crazy Mama« auf Black and Blue ). Ron Wood, der seit 1975 anstelle von Mick Taylor dabei war, hatte zuvor bei den Faces gespielt, deren Alben grandios waren und jede Menge Spaß bereiteten – diese Musik war völlig anders als die von Emerson, Lake and Palmer oder Genesis. Die Kids konnten diese Riffs einfach nachspielen. Doch der Nachwuchs interessierte sich plötzlich nicht mehr für die Rolling Stones.
    Meiner Ansicht nach hatte das überhaupt nichts mit der Musik zu tun. Warum wurde eine Band, deren Erfolg maßgeblich mit dem von ihrem ersten Manager Andrew Loog Oldham forcierten Bad-Boy-Image zusammenhing, von einer ganzen Generation aufsässiger Jugendlicher sowohl in den USA als auch in Europa verunglimpft? Es lag wohl einfach an den fehlenden Reibungsflächen mit Mick, Keith, Bill, Charlie und Ronnie. Vermutlich waren die Rolling Stones einfach zu populär, um noch als subversive Band ernst genommen werden zu können. Man kann schlecht einen englischen Landsitz sein Eigen nennen, den man von Gesetzes wegen nur drei Monate im Jahr bewohnen darf, sowie ein Ferienhaus auf der Karibikinsel Mustique und ein bis zwei Apartments in Upper Manhattan (wie Mick) und gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, eine subversive Band zu sein. Es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn das nicht so ist. Wer hat denn auch schon etwas gegen Paul McCartneys Seventies-Band The Wings? Oder etwa gegen Led Zeppelin, wenn wir schon dabei sind? Das Problem der Stones war, dass sie diese Widersprüche nicht sahen und sich immer noch gerierten wie eine subversive Band. Und genau das inspirierte die Flyer-Gestalter unter den Punkrock-Fans zu ihren respektlosen Kreationen.
    Pete Townshend wurde von den Punks toleriert, weil er zur Selbstironie fähig war. Achtet einmal auf die Texte auf dem Album Who Are You von 1978, dem letzten Who-Album, bei dem Keith Moon dabei war. Sie hören sich bierselig, jämmerlich und wahrhaftig an. Die Punks fanden, es gehöre sich einfach nicht, Pete Townshend in den Arsch zu treten, wo er es doch selbst schon so erfolgreich getan hatte. Freddy Mercury von Queen hätte es ihnen mit gleicher Münze heimgezahlt. Ihm war der Glaubwürdigkeitsmaßstab der Punks herzlich egal. Er wäre sogar in Sun City aufgetreten; er war durch nichts zu bremsen, wenn irgendwo eine Bühne stand. John Lennon war untergetaucht; er hatte seine schicke Radikalenkluft in den Schrank gehängt und Brotbacken gelernt. David Bowie war nach Berlin gegangen und beantwortete nach langer Zeit wieder die Anrufe von Iggy Pop. Mick Jagger wurde zum Hauptangriffsziel. Er war wohl davon ausgegangen, man werde ihm zugute halten, dass er nicht nur unter den oberen Zehntausend verkehrte, sondern auch wusste, was auf der Straße abging. Mit dieser Haltung war er auch ganz gut durch die späten 60er- und frühen 70er gekommen, aber einem Siebzehnjährigen auf Speed entgehen solche Feinheiten. Er sieht lediglich einen fünfunddreißigjährigen Millionär im weißen Discoanzug. Mick Jagger hat es ausdrücklich verdient, einmal dafür gelobt zu werden, dass er den Mumm hatte, seinen Platz zu behaupten und zu kämpfen, darauf zu bestehen, dass auch er noch ein Punk war, immer noch subversiv, immer noch maßgeblich. Das zeugte von enormer Chuzpe.
    Es wird Mick Jagger zweifellos geärgert haben, dass die Stones den Punks quasi ein musikalisches Muster bereitgestellt haben. Devo beispielsweise kramten den Stones-Klassiker »(I Can’t Get No) Satistfaction« wieder aus dem Oldie-Regal hervor und nahmen ihn so weit auseinander, bis nur noch ein kaum wiedererkennbares, synkopisches Gezappel übrig blieb. Ihrer Version konnte man gar nicht vorwerfen, zu nah am Original oder von diesem zu weit weg zu sein, denn es ist eine radikale Neuvertonung, die fast als eigenständiger Song durchgeht. Im vorangegangenen Jahr hatten die Kunstrocker Residents aus San Francisco ihre eigene

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