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Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Fahrt auf und steigert sich in einem langen Crescendo zu einem überwältigenden Finale, in das alle Instrumente des Orchesters einfallen. Und gleichzeitig schaukeln sich auch die Emotionen des Zuhörers immer weiter hoch und erreichen mit der Musik ihren Höhepunkt. Und das ist, was die Staatsanwältin hier macht. Sie arbeitet kontinuierlich auf ein grandioses Finale hin. Ihr bestes Material kommt erst noch, denn am Ende wird sie mit Pauken und Trompeten alles zu einem gewaltigen Schlussakkord vereinen. Verstehen Sie, Lisa?«
    Sie nickte widerstrebend.
    »Nichts läge mir ferner, als Sie zu entmutigen. Sie sind aufgeregt und voller Hoffnung und von Ihrer Unschuld überzeugt, und ich möchte, dass das auch so bleibt. Denn die Geschworenen bekommen das unterschwellig sehr wohl mit, und das hilft Ihrer Sache genauso sehr wie alles, was ich im Gericht veranstalte. Aber Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass der Berg steiler wird. Die Staatsanwältin kann noch ihren ganzen wissenschaftlichen Kram auffahren, und die Geschworenen lieben das, weil es ihnen einen Ausweg eröffnet, eine Möglichkeit, die Entscheidung hinauszuschieben. Die Leute glauben, sie sind gern Geschworene. Man muss nicht arbeiten, man sitzt bei einem interessanten Fall in der ersten Reihe und wird Zeuge eines echten, realen Dramas und nicht nur irgendeiner drögen Fernsehklamotte zu Hause. Aber irgendwann müssen sie sich in dieses Beratungszimmer zurückziehen und gemeinsam eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung, die gravierende Auswirkungen auf das Leben eines anderen Menschen hat. Glauben Sie mir, es gibt nicht allzu viele Leute, die das gern tun. Aber die Wissenschaft erleichtert ihnen die Sache. ›Ach so, klar, wenn die DNA übereinstimmt, dann kann es nicht falsch sein. In allen Anklagepunkten schuldig.‹ Verstehen Sie? Das ist, was uns noch bevorsteht, Lisa, und ich möchte nicht, dass Sie sich diesbezüglich irgendwelche Illusionen machen.«
    Dahl legte galant seine Hand auf ihren Arm, den sie auf den Tisch gestützt hatte, und drückte ihn tröstend.
    »Und was werden wir gegen die DNA unternehmen?«, fragte Trammel.
    »Nichts«, sagte ich. »Es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Ich habe Ihnen schon vor dem Prozess gesagt, dass wir sie von unseren eigenen Leuten haben untersuchen lassen und zu denselben Ergebnissen gekommen sind. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
    Sie senkte niedergeschlagen den Blick, und ich sah Tränen in ihre Augen treten, was genau das war, was ich wollte. Diesen Moment suchte sich die Bedienung aus, um unser Essen zu bringen. Ich wartete, bis wir wieder allein waren, bevor ich fortfuhr.
    »Kopf hoch, Lisa. Die DNA ist nur Augenwischerei.«
    Sie blickte verwirrt zu mir auf.
    »Haben Sie nicht gerade gesagt, daran gäbe es nichts zu rütteln?«
    »Gibt es auch nicht. Aber das heißt nicht, dass es keine Erklärung dafür gibt. Die Sache mit der DNA regle ich schon. Wie Sie ganz richtig gesagt haben, als wir uns gesetzt haben, ist es meine Aufgabe, jedem Teil dieses Puzzles einen Zweifel einzupflanzen. Und dann können wir nur hoffen, dass alle diese kleinen Samen des Zweifels, die wir gesät haben, zu etwas herangewachsen sind, was das Bild verändert, wenn am Schluss das Puzzle vollständig ist und den Geschworenen vorgelegt wird. Wenn uns das gelingt, werden wir braun.«
    »Wie bitte? Was soll das jetzt wieder heißen?«
    »Wir fahren nach Hause. Wir legen uns an den Strand und werden braun.«
    Ich lächelte sie an, und sie lächelte zurück. Ihre Tränen hatten das aufwendige Make-up, das sie am Morgen aufgelegt hatte, verschmiert.
    Der Rest des Mittagessens verging mit Smalltalk und ahnungslosen oder hirnverbrannten Bemerkungen, die meine Mandantin und ihr Scheich über das Strafrechtssystem machten. Das war etwas, was ich bei meinen Mandanten durchgängig beobachten konnte. Sie hatten keine Ahnung vom Recht, waren aber schnell zur Hand, mir zu erzählen, was daran verkehrt war. Ich wartete, bis Trammel den letzten Bissen Salat in ihren Mund befördert hatte.
    »Lisa, während des ersten Teils unserer Unterhaltung ist Ihre Wimperntusche etwas verlaufen. Es ist ganz wichtig, dass Sie stark bleiben und stark aussehen. Deshalb würde ich Sie jetzt bitten, auf die Toilette zu gehen und Ihr Make-up aufzufrischen, damit Sie wieder stark aussehen, ja?«
    »Kann ich das nicht auch im Gericht machen?«
    »Nein, weil wir es vielleicht zur gleichen Zeit betreten werden wie einige Geschworene oder Reporter.

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