Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
die Reihe kam, nichts dazu, die Zweifel so manchen Beobachters an der Kompetenz des Verteidigers auszuräumen. Sobald nach der Nachmittagspause alle wieder auf ihren Plätzen waren, ging ich ans Pult und schleuderte einen weiteren Was-soll’s?-Schachzug in den Prozess.
    »Die Verteidigung ruft die Angeklagte Lisa Trammel auf.«
    Der Richter bat um Ruhe, als meine Mandantin aufstand und zum Zeugenstand ging.
    Dass sie aufgerufen wurde, war ungewöhnlich und zog im Saal aufgeregtes Getuschel nach sich. Einen Mandanten rufen Strafverteidiger grundsätzlich nur äußerst ungern in den Zeugenstand. Wegen des unvorteilhaften Verhältnisses von Risiko und Ertrag rangiert diese Maßnahme sehr weit hinten. Man kann nie wissen, was der Mandant sagen wird, weil man sich nie wirklich auf das verlassen kann, was er einem erzählt hat. Auch nur bei einer einzigen Lüge ertappt zu werden, wenn man unter Eid steht und vor den zwölf Menschen, die über Schuld oder Unschuld befinden, im Zeugenstand sitzt, ist eine Katastrophe.
    Aber dieser Prozess und dieser Fall waren anders. Lisa Trammel hatte immer auf ihrer Unschuld beharrt. Sie hatte nicht ein einziges Mal gewankt in ihrer Reaktion auf die gegen sie vorgebrachten Beweise. Und sie hatte nicht ein einziges Mal auch nur ansatzweise Interesse an irgendeiner Art von Deal gezeigt. Angesichts dessen und angesichts der jüngsten Entwicklungen, die die Verbindung zwischen Herb Dahl und Louis Opparizio betrafen, sah ich sie in einem anderen Licht als zu Beginn des Prozesses. Sie hatte darauf bestanden, eine Gelegenheit zu erhalten, den Geschworenen zu sagen, dass sie unschuldig war, und mir war in der vergangenen Nacht klargeworden, dass sie diese Gelegenheit bekommen sollte, sobald sie sich bot. Sie sollte der erste Zeuge sein.
    Ihren Eid leistete die Angeklagte mit dem Anflug eines Lächelns. Manchen mochte dies deplaziert erscheinen. Nachdem sie sich gesetzt hatte und ihr Name zu Protokoll genommen worden war, stürzte ich mich sofort darauf.
    »Lisa, ich habe gerade den Anflug eines Lächelns auf Ihren Lippen bemerkt, als Sie den Eid geleistet haben, die Wahrheit zu sagen. Warum haben Sie gelächelt?«
    »Ach, wissen Sie, aus Nervosität. Und vielleicht war auch Erleichterung dabei.«
    »Erleichterung?«
    »Ja, Erleichterung. Endlich bekomme ich die Gelegenheit, den Sachverhalt aus meiner Sicht zu schildern. Die Wahrheit zu sagen.«
    Es ging gut los. Daraufhin stellte ich ihr rasch die üblichen Standardfragen: Wer sie war, was sie beruflich machte, wie es um ihre Ehe – und die Eigentumsrechte an ihrem Haus – bestellt war.
    »Kannten Sie das Opfer dieser schrecklichen Tat, Mitchell Bondurant?«
    »Persönlich gekannt habe ich ihn nicht, nein. Aber ich kannte ihn, das ja.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Na ja, im Lauf des letzten Jahres, als ich wegen der Hypothek Probleme bekam, sah ich ihn ab und zu. Ich kam ein paar Mal in die Bank, um ihm mein Anliegen vorzutragen. Sie ließen mich zwar nie mit ihm sprechen, aber ich konnte ihn hinten in seinem Büro sehen. Die Wand seines Büros war ganz aus Glas, was eigentlich ein Witz war. Man konnte ihn sehen, aber nicht mit ihm reden.«
    Ich blickte kurz zu den Geschworenen. Zwar konnte ich niemanden ausdrücklich nicken sehen, aber ich fand, die Antwort und das Bild, das meine Mandantin heraufbeschworen hatte, waren perfekt. Der Banker, der sich hinter einer Glaswand versteckte, während die Benachteiligten und Unterdrückten von ihm ferngehalten wurden.
    »Haben Sie ihn jemals anderswo gesehen?«
    »Ja, am Morgen des Mordes. Ich habe ihn in dem Coffee Shop gesehen, in dem ich mir immer Kaffee hole. Er war zwei Plätze hinter mir in der Schlange. Deshalb war ich etwas durcheinander, als ich mit den Detectives gesprochen habe. Sie haben mich nach Mr. Bondurant gefragt, und ich hatte ihn am selben Morgen gesehen. Ich wusste nicht, dass er tot war. Mir war nicht klar, dass sie wegen eines Mordes gegen mich ermittelten, von dem ich gar nicht wusste, dass er begangen worden war.«
    So weit, so gut. Sie hielt sich an das, was wir abgesprochen und einstudiert hatten, bis hin zu dem Punkt, dass sie vom Opfer immer mit uneingeschränktem Respekt, wenn nicht sogar mit Sympathie sprach.
    »Haben Sie an diesem Morgen mit Mr. Bondurant gesprochen?«
    »Nein. Ich fürchtete, er könnte denken, ich würde ihm nachstellen oder ihn sonst irgendwie belästigen, und mich deshalb anzeigen. Außerdem haben Sie mir geraten, jegliche Begegnungen oder

Weitere Kostenlose Bücher