Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
Haller?«
»Ach, ich habe ihr am Ende ihrer Falldarstellung ein bisschen die Flügel gestutzt und ihr dann bei meiner gleich zu Beginn ordentlich zugesetzt. Wahrscheinlich überlegt sie jetzt, wie sie mir Paroli bieten kann.«
»Wahrscheinlich.«
Maggie wandte sich wieder ihrer Akte zu. Ich war unmissverständlich wortlos entlassen. Zuerst von meiner Tochter, jetzt von meiner Ex-Frau, die ich immer noch liebte. Ich wollte nicht einfach so gehen.
»Und was ist mit uns?«, fragte ich.
»Was soll mit uns sein?«
»Na ja, unser letzter gemeinsamer Abend im Dan Tana’s hat kein so glückliches Ende genommen.«
Sie klappte den Ordner zu, schob ihn beiseite und blickte zu mir auf. Endlich.
»Manche Abende sind eben so. Dadurch ändert sich nichts.«
Ich stieß mich von der Arbeitsplatte ab und kam an die Frühstückstheke. Ich stützte mich auf die Ellbogen. Wir befanden uns auf Augenhöhe.
»Was ist dann mit uns, wenn sich nichts geändert hat? Was machen wir dann?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Ich möchte es noch mal versuchen. Ich liebe dich immer noch, Mags. Das weißt du.«
»Ich weiß aber auch, dass es davor nicht funktioniert hat. Wir gehören zu der Sorte Leute, die ihre Arbeit mit nach Hause bringen. Das war nicht gut.«
»Ich komme langsam zu der Überzeugung, dass meine Mandantin unschuldig ist und dass ihr das Ganze angehängt werden sollte und dass ich sie trotz alledem vielleicht nicht freibekomme. Würdest du so etwas gern mit nach Hause bringen?«
»Wenn dich das so sehr belastet, solltest du vielleicht doch als DA kandidieren. Du weißt ja, die Stelle ist vakant.«
»Ja, vielleicht mache ich das.«
»Haller für das Volk.«
»Genau.«
Danach blieb ich noch ein paar Minuten, aber ich merkte, dass ich bei Maggie nicht vorankam. Sie hatte eine spezielle Gabe, einen auflaufen zu lassen.
Ich sagte ihr, ich würde jetzt gehen und sie solle Hayley von mir grüßen. Sie stürmte nicht los, um sich mir an der Tür in den Weg zu stellen, damit ich nicht gehen konnte. Aber sie rief mir etwas nach, was mich enorm aufbaute.
»Hab einfach ein bisschen Geduld, Michael.«
Ich drehte mich zu ihr um.
»Mit was?«
»Nicht mit was, mit wem. Mit Hayley … und mir.«
Ich nickte und sagte, das würde ich.
Auf der Heimfahrt ließ ich die Erfolge des Gerichtstags meine Stimmung heben. Ich begann über den Zeugen nachzudenken, den ich nach Lisa Trammel aufzurufen beabsichtigte. Es gab noch eine Menge zu tun, aber es brachte nichts, zu weit im Voraus zu planen. Man beginnt mit dem Schwung eines Tages und sieht dann weiter.
Ich fuhr den Beverly Glen Boulevard bis ganz nach oben und nahm dann den Mulholland Drive in östlicher Richtung bis zum Laurel Canyon. Ich hatte sowohl nach Norden wie nach Süden Ausblick auf die Lichter der Stadt. Los Angeles breitete sich unter mir aus wie ein glitzerndes Meer. Die Musik blieb aus und die Fenster unten, und ich ließ die kühle Luft wie Einsamkeit in meine Knochen kriechen.
41
A lles, was am Tag zuvor gewonnen worden war, ging am Freitagmorgen in zwanzig Minuten verloren, als Andrea Freeman das Kreuzverhör Lisa Trammels fortsetzte. Mitten im Prozess von der Anklage überrumpelt zu werden ist zwar nie gut, aber man muss immer damit rechnen, weil es einfach in der Natur der Sache liegt. Es gehört zu den unbekannten Unbekannten. Aber vom eigenen Mandanten überrumpelt zu werden, ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Eins der unbekannten unbekannten Dinge sollte auf keinen Fall die Person sein, die man verteidigt.
Nachdem Trammel im Zeugenstand Platz genommen hatte, trat Freeman mit einem dicken Packen Dokumente ans Pult, zwischen deren frischen Kanten eine einzige rosafarbene Haftnotiz hervorstand. Ich hielt das Ganze für ein Requisit, das mich ablenken sollte, und schenkte ihm keine Beachtung. Sie begann mit einer Reihe von Fragen, bei denen es sich offensichtlich um Fangfragen handelte. Sie dienten nur dem Zweck, die Antworten der Zeugin zu Protokoll zu bringen, um sie dann als falsch entlarven zu können. Ich konnte die Falle entstehen sehen, war aber nicht sicher, wo sie zuschnappen würde.
»Also, Sie haben gestern zu Protokoll gegeben, dass Sie Mitchell Bondurant nicht kannten, ist das richtig?«
»Ja, das ist richtig.«
»Sie sind ihm nie begegnet?«
»Nein, nie.«
»Haben nie mit ihm gesprochen?«
»Nein, nie.«
»Aber Sie haben versucht, sich mit ihm zu treffen und mit ihm zu sprechen, richtig?«
»Ja, ich war zweimal in der Bank, um
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