Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
die Deadline-Hollywood -Seite auf. Ich begann zu scrollen. Das Ganze sah aus wie eine Liste von Kurzmeldungen zu Hollywood-Deals, Einspielprognosen und Studiopersonalien. Wer was kaufte und verkaufte, wer welche Agentur verließ, mit wem es bergab ging und mit wem bergauf, Dinge dieser Art.
»Okay, und was genau soll ich mir hier ansehen?«
»Scrollen Sie bis heute Nachmittag 15:45 Uhr hinunter.«
Die Posts des Blogs waren mit einem Zeitstempel versehen. Ich tat, was Gotler sagte, und kam zu besagtem Eintrag. Bereits die Überschrift war wie ein Tritt in die Eier.
Archway schnappt sich Rechte an Real-Life-Mordfall
Produzenten: Dahl/McReynolds
Mehreren Quellen zufolge hat Archway Pictures eine sechsstellige Summe auf einen siebenstelligen Endbetrag vorgeschossen, um die Rechte für den Zwangsversteigerungs-Rachefall zu erwerben, der in LaLaLand gerade die Justiz beschäftigt. Die Angeklagte, Lisa Trammel, wurde bei dem Deal von Herb Dahl vertreten, der zusammen mit Clegg McReynolds von Archway als Produzent fungieren wird. Der mehrschichtig angelegte Vertrag schließt auch Fernseh- und Doku-Rechte ein. Das Ende der Geschichte muss allerdings erst noch geschrieben werden, weil sich Trammel wegen des Mordes an dem Banker, der ihr Haus zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben hat, noch vor Gericht verantworten muss. In einer Pressemitteilung erklärte McReynolds, Trammels Geschichte würde zum Anlass genommen, die Zwangsversteigerungsepidemie, die das Land seit kurzem heimsucht, näher zu durchleuchten. Der Prozess gegen sie soll in zwei Monaten beginnen.
»Dieses Schwein«, zischte ich.
»Ja, das dürfte es ganz gut treffen«, bemerkte Gotler. »Was soll das eigentlich? Ich versuche hier schon die ganze Zeit, diese Geschichte zu verkaufen, und stand bereits kurz vor einem Abschluss mit Lakeshore, und jetzt lese ich das hier! Wollen Sie mich verarschen, Haller? Mir so in den Rücken zu fallen?«
»Ich weiß auch nicht, was das Ganze soll. Jedenfalls habe ich einen Vertrag mit Lisa Trammel und …«
»Kennen Sie diesen Dahl? Ich nämlich schon, und deshalb weiß ich auch, dass der Kerl ein Gangster ist.«
»Ich weiß, ich weiß. Er hat mich auszutricksen versucht, aber ich bin ihm zuvorgekommen. Er hat Lisa was unterschreiben lassen, aber …«
»Ach, tatsächlich? Sie hat bei diesem Typen unterschrieben?«
»Nein. Das heißt, ja. Aber erst, nachdem sie bereits bei mir unterschrieben hat. Ich habe einen Vertrag. Ich habe das Vor…«
Ich verstummte mitten im Wort. Die Verträge. Ich erinnerte mich, wie ich Kopien davon gemacht und Dahl gegeben hatte. Dann hatte ich die Originale wieder in den Ordner im Kofferraum meines Lincoln gelegt. Das hatte Dahl alles mitbekommen.
»Verdammte Scheiße!«
»Was ist?«
Ich schaute auf den Aktenstapel auf meinem Schreibtisch. Sie stammten alle vom Fall Lisa Trammel. Aus Faulheit hatte ich die Akten aus dem Kofferraum des Lincoln noch nicht heraufgebracht. Dem hatte die Überlegung zugrunde gelegen, dass es sich dabei um lauter alte Verträge und Fälle handelte und ich noch gar nicht wusste, ob ich auf Dauer in einem normalen Büro mit gemauerten Wänden würde arbeiten wollen. Deshalb lag der Ordner mit den Verträgen noch im Kofferraum.
»Joel, ich rufe Sie gleich zurück.«
»Hey, was soll …«
Aber ich hatte bereits aufgelegt und war auf dem Weg nach draußen. Das Victory Building hatte sein eigenes zweigeschossiges Parkhaus, aber um dorthin zu gelangen, musste man das Gebäude verlassen und zur Einfahrt des Parkhauses gehen. Ich stieg die Auffahrt zum oberen Parkdeck hinauf, ging zu meinem Auto und öffnete mit der Fernbedienung den Kofferraum. Mein Lincoln war das einzige Fahrzeug auf der oberen Ebene. Ich nahm den Ordner mit den Verträgen und beugte mich unter das Licht im Kofferraumdeckel, um die von Lisa Trammel unterzeichnete Vereinbarung zu suchen.
Sie war weg.
Zu sagen, dass ich wütend war, wäre eine Untertreibung. Ich schob den Ordner in sein Fach zurück und knallte den Kofferraumdeckel zu. Ich holte das Handy heraus und rief Lisa an, während ich zur Rampe zurückging. Ich bekam nur ihre Mailbox dran.
»Lisa, hier ist Ihr Anwalt. Ich dachte, wir hätten abgemacht, dass Sie drangehen, wenn ich Sie anrufe. Egal, zu welcher Uhrzeit, egal, was Sie gerade machen. Und jetzt rufe ich an, und Sie gehen nicht dran. Rufen! Sie! Mich! Zurück! Ich will mit Ihnen über Ihren Freund Herb und den Deal, den er heute gemacht hat, reden. Ich bin sicher, Sie
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