Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
nächsten Besuch klären. Die Ärzte haben gesagt, Sie brauchen noch dringend Ruhe.«
»Sollen wir schon einen Termin für den nächsten Besuch ausmachen?«
Keiner der beiden antwortete. Sie würden nicht wiederkommen.
»Hätte mich auch gewundert«, murmelte ich. »Wiedersehen, Detectives. Freut mich zu hören, dass sich die Crimes-Against-Persons-Einheit der Sache annimmt. Da fühlt man sich gleich richtig gut aufgehoben.«
»Schauen Sie«, sagte Stilwell. »Höchstwahrscheinlich hat es Sie rein zufällig erwischt. Zwei Ganoven auf der Suche nach einem leichten Opfer. Die Chancen, dass wir …«
»Die beiden wussten, wer ich bin.«
»Aber Sie haben doch selbst gesagt, sie hätten Sie nur aus dem Fernsehen und aus der Zeitung gekannt.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, sie haben mich erkannt und so getan, als würden sie mich aus dem Fernsehen kennen. Wenn Sie wirklich Interesse daran hätten, diese Sache aufzuklären, hätten Sie diesen Unterschied registriert.«
»Werfen Sie uns etwa vor, wir würden uns nicht für eine willkürliche Gewalttat in unserem Zuständigkeitsbereich interessieren?«
»So ziemlich, ja. Und wer sagt, dass sie willkürlich war?«
»Sie haben gesagt, Sie hätten die Angreifer nicht gekannt. Wenn Sie also diesbezüglich Ihre Aussage nicht ändern, gibt es keine Beweise, dass es sich um einen gezielten Überfall gehandelt hat. Bestenfalls könnte das Motiv Hass auf Anwälte gewesen sein. Die Täter haben Sie erkannt, und weil sie es nicht gut finden, dass Sie Mörder und Kriminelle verteidigen, haben sie beschlossen, ihren Frust an Ihnen abzureagieren. Es könnte alles Mögliche gewesen sein.«
Mein ganzer Körper brannte vor Schmerz, entzündet von ihrer Gleichgültigkeit. Aber ich war auch müde und wollte, dass sie gingen.
»Ist ja nicht weiter tragisch, Detectives«, sagte ich. »Fahren Sie ruhig wieder in Ihr CAP-Büro zurück und erledigen dort den Papierkram. Machen Sie sich wegen dieser Sache keine Gedanken mehr. Von jetzt an kümmere ich mich um alles Weitere.«
Damit schloss ich die Augen, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Es war das Einzige, was ich tun konnte.
Als sich meine Lider das nächste Mal öffneten, sah ich Cisco auf einem Stuhl in der Zimmerecke sitzen. Er beobachtete mich aufmerksam.
»Hallo, Boss«, sagte er behutsam, als könnte mich seine dröhnende Stimme verletzen. »Wie geht’s, wie steht’s?«
Ich hustete, als ich vollends zu mir kam, und das zog eine Schmerzattacke in meinen Hoden nach sich.
»So, wie es sich anfühlt, steht er immer noch um hundertachtzig Grad nach links verdreht.«
Cisco lächelte, weil er glaubte, ich delirierte. Aber ich war so weit bei klarem Verstand, dass ich wusste, dass es sein zweiter Besuch war und dass ich ihn bei seinem ersten gebeten hatte, sich ein bisschen umzutun.
»Wie spät ist es? Vor lauter Schlafen habe ich jedes Zeitgefühl verloren.«
»Zehn nach zehn.«
»Donnerstag?«
»Nein, Freitagvormittag, Mick.«
Ich war länger weg gewesen, als ich gedacht hatte. Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber die Bewegung löste eine Welle stechender Schmerzen in meiner linken Körperhälfte aus.
»Uaaaah!«
»Alles klar, Boss?«
»Was gibt es Neues, Cisco?«
Er stand auf und kam an die Seite des Betts.
»Nicht viel, aber ich bin an der Sache dran. In den Polizeibericht konnte ich bereits einen Blick werfen. Viel gab es da zwar auch nicht, aber dort stand, dass dich ein Reinigungstrupp gefunden hat, als sie gegen neun Uhr abends zur Arbeit in das Parkhaus gekommen sind. Du hast bewusstlos auf der Auffahrtsrampe gelegen, und sie haben sofort die Polizei verständigt.«
»Um neun? Das ist nicht allzu lang nach dem Überfall. Haben sie sonst noch was gesehen?«
»Nein, nichts. Laut Bericht zumindest. Ich werde heute Abend hinfahren, um selbst mit den Leuten zu reden.«
»Gut. Und in der Kanzlei?«
»Soweit Lorna und ich feststellen konnten, war dort niemand. Und wie es aussieht, fehlt auch nichts. Obwohl die Tür die ganze Nacht nicht abgeschlossen war. Ich glaube, das Ziel des Angriffs warst du, Mick. Nicht die Kanzlei.«
Der Tropf wurde von einem Dosierungssystem gesteuert, das die lindernde Labsal entsprechend den Impulsen verteilte, die von einem Computer in einem anderen Raum an das Gerät gesendet wurden; der Computer war von jemandem programmiert worden, dem ich nie begegnet war. Aber im Moment war dieser Computermensch der Allergrößte für mich. Ich spürte das kalte Rinnsal eines
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